Gehirngerechter führen?

2. Juni 2023

Mit Flow @ Work, möchte die Neuro-Bestseller-Autorin Friederike Fabritius zeigen, wie Gehirn-Know-how auch für die Führung fruchtbar gemacht werden kann: „Wer versteht, wie unterschiedliche Gehirne ticken, ist auf dem besten Weg, eine lebendige und vor allem erfolgreiche Arbeitskultur zu gestalten.“ Das vielleicht ja gar nicht so überraschende Ergebnis: Bekannte Modelle bewähren sich auch unter Neuro-Vorzeichen. Denn die von Fabritius vorgestellte Neuro-Signatur erweist sich als Anreicherung klassischer Typologien mit Neurotransmitter- und Hormon-Know-how.

Sie unterscheidet vier verschiedene Motivations-Typen auf der Basis ihrer neurologischen Anlage: Menschen mit einer dopaminlastigen Neuro-Signatur sind kreativ und lieben den Nervenkitzel. Serotonin-gesteuerte Menschen dagegen bevorzugen Stabilität und Struktur. Testosteron-Gesteuerte sind mutig und entscheidungsfreudig, während die Neuro-Signatur Östrogen vor allem auf Kooperation und Kommunikation setzt. Diese Beschreibungen sind für jede Typologie-Kundigen natürlich nicht neu, genausowenig wir ihr Plädoyer für die Führung: Respekt vor den unterschiedlichen Qualitäten jeder Neuro-Signatur und eine Führungskultur der neuronalen Diversität.

Doch mit einem Argument setzt sie einen neuen Fokus in der Diversitäts-Diskussion: Baut man auf äußere Diversitätsmerkmale wie Geschlecht oder Hautfarbe, sorgt das nicht automatisch für die Diversität der Denkstile. Denn meist unbewusste klassische Selektionskriterien sorgen trotz formaler Diversität für einseitige mentale Präferenzen in Teams. Phänomene wie das Gruppendenken tragen außerdem dazu bei, in Austauschprozessen die Vielfalt der Argumente einzuschränken. Aber braucht es zur Lösung vor allem Neuro-Know-how?

Mit ihren Argumenten reduziert Fabritius Führung auf eine Frage der biologischen Ausgewogenheit. Dabei lautet die eigentliche Frage doch, welcher Sinn und welche Werte in Organisationen und Gesellschaften gelebt werden wollen und welche Strukturen und Arbeitskulturen diesen Zwecken dienen. Neurobiologisch ausgewogen zusammengestellte Teams kommen vielleicht leichter zu reflektierten und erfolgreichen Lösungen. Doch die eigentliche Aufgabe von Führung wird damit nicht gelöst. Fabritius füllt diese Lücken mit Tipps zur Lebensführung und Ernährung, die wir bereits aus anderen Kontexten kennen. Was bleibt ist der Appell, Führung menschengerecht und individuell zu gestalten.


Wieder mehr Präsenz-Coaching

23. Mai 2023

Wie steht der Coaching-Markt nach drei Ausnahmejahren da? Welche Trends zeichnen sich ab, und welche wirtschaftlichen Perspektiven lassen sich erkennen? Die RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023, für die die Angaben von 755 deutschen Coachs ausgewertet wurden, lässt eine leichte Erholung des Coachings-Markts erkennen. Außerdem wurde das Online-Coaching, das im Verlaufe der Pandemie zum beliebtesten Coaching-Format avanciert war, vom Präsenz-Coaching eingeholt. 53,03 % aller Coachings finden jetzt wieder im gemeinsamen Raum statt.

Die an der Studie beteiligten Coachs waren zum Studienzeitpunkt durchschnittlich 52 Jahre alt. 89 % von ihnen verfügen über eine akademische Bildung, 9,15 % zusätzlich über eine Promotion. Neben ihrer Coaching-Erfahrung haben viele Coachs langjährige Führungserfahrung. Das entspricht ihren Kernzielgruppen, die vor allem im Top-Management und im mittleren Management zu finden sind. Das mittlere Management insgesamt steigerte von 2022 bis 2023 seinen Anteil an Coachings um immerhin 4,54 %. Das mittlere Management in Großunternehmen stellte mit 13,38 % neben dem Top-Management der KMU (10,71 %) die größten Anteile von Zielgruppen am Coaching-Markt.

Die berufliche Haupttätigkeit von Coachs liegt klar beim Coaching. Coachs verteilten im vergangenen Jahr 42,94 % ihrer Zeit auf das Coaching. Die übrige Zeit waren sie tätig im Training (14,11 %) sowie in weiteren Dienstleistungen wie Organisationsentwicklung, Unternehmensberatung und Personalentwicklung. Das Einkommen stieg im vergangenen Jahr wieder um 6,47 % an, nachdem pandemiebedingt ein Einbrechen zu verzeichnen gewesen war. Das Honorar bewegte sich im Untersuchungszeitraum durchschnittlich in der Höhe von EUR 166,13, während Coachs 2020 noch EUR 177,60 einfordern konnten.

Der durchschnittliche Coaching-Klient war im vergangenen Jahr zwischen 45 und 49 Jahren alt und mehrheitlich weiblich. Mehrheitlich hatten die Coachings im Untersuchungszeitraum eine Länge von 6 bis 10 Stunden (30,54 %), gefolgt von Coachings im Umfang von 11-15 Stunden (18,74 %). Die meisten Coachings werden von Unternehmen finanziert. Nur 9,25 % aller Coachings sind Privatcoachings.

Das klassische Coaching-Format ist mit 44,18 % immer noch das Einzel-Coachings. Doch die während der Pandemie zu verzeichnende Tendenz zum Teamcoaching konnte sich stabilisieren. 22,45 % aller Coaching-Varianten sind Teamcoachings. Die bereits im Vorjahr zu verzeichnende Tendenz zum Konfliktcoaching hat sich 2023 noch verstärkt. Hierfür könnten verschleppte Konflikte ebenso wie die Besonderheiten der Remote-Arbeit verantwortlich sein.


Geschichten als Vehikel für mobiles Bewusstsein

24. April 2023

„Menschen zeichnen sich durch ein mobiles Bewusstsein aus, mit dem sie sich an alle möglichen Orte und in alle möglichen Situationen versetzen können.“ Genau diese Fähigkeit, sich mental nicht nur in der Gegenwart, sondern in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten aufzuhalten, und sich in andere hineinzuversetzen, macht den Menschen einzigartig. Anlass für Fritz Breithaupt, Professor für Kognitionswissenschaften und Germanistik, sich intensiver mit dem Narrativen Gehirn zu befassen:

Das Geschichtenerzählen, so seine Argumentation, ist nicht nur unterhaltsames Beiwerk unseres Lebens, sondern eine integrale Qualität des Verstandes. Weil wir uns mit Geschichten befassen, müssen wir nicht alle Erfahrungen selber machen, sondern können in einem empathischen Akt der Co-Erfahrung mit den Protagonisten der Geschichten lernen. Durch das Weitererzählen und Tradieren von Geschichten entwickeln wir zudem eine stabile mentale Umwelt, in der wir uns sicher bewegen können. Geschichten begründen Gruppen-Idenitäten und stiften Kultur.

Geschichten erlauben außerdem, probezuhandeln, vielseitige Perspektiven einzunehmen und multiversional zu denken. Denn die Spannung in Geschichten lebt von verschiedenesten Blickwinkeln und Sichtweisen, die erst am Ende „ausverhandelt“ sind. Demzufolge enden gute Geschichte immer mit einer emotionalen Quintessenz. Dieses Gefühl erlebt das Gehirn gewissermaßen als Belohnung und ankert den damit verbundenen Lerneffekt. Geschichten finden daher immer wieder Einsatz nicht nur in therapeutischen oder pädagogischen Kontexten, sondern auch im Marketing.

Nicht nur der Emotionsanker zum Abschluss macht Geschichten besonders merkfähig. Weil Geschichten eine Ordnung in den unendlichen Zeitfluss bringen und Ereignisse in einen kohärenten, kausal nachvollziehbaren Zusammenhang stellen, lassen sie sich leicht erinnern und dann auch weitererzählen. Darin unterscheidet sich narratives Denken vom kausal-analytischen Denken oder anderen Denkformen wie dem Denken in Tagträumen und Bildern, die diese Vorzug nicht in der gleichen Art und Weise bieten.

Geschichten thematisieren darüber hinaus manchmal menschliche oder gesellschaftliche Phänomene, bevor diese wissenschaftlich auf die Agenda kommen. So wurde die Theorie des psychologischen Traumas inklusive des Krankheitsbildes der Posttraumatischen Belastungsstörung nicht zuerst in der Medizin, sondern in der Literatur entwickelt. Denn Geschichten erlauben es durch ihren narrativen Spannungsbogen, besser mit Traumata umzugehen. Die erlösenden Emotionen am Ende einer Narration sind, so Fritz Breithaupt, wie eine „… Karotte, der wir nachjagen, wenn wir uns in einen narrativen Strang begeben“.


Rollenwechsel in der Führung

13. März 2023

„Situativ und verantwortungsvoll führen“ lautet der Untertitel zu Regina Mahlmanns Buch zum gezielten Einsatz von Führungsstilen und -Methoden. Und damit markiert die Trainerin und Beraterin von Führungskräften bereits, welche Führungsqualitäten für sie im Vordergrund stehen. Gute Führung sollte sich immer flexibel an den individuellen Umständen, vor allem an den persönlichen Möglichkeiten der Mitarbeitenden orientieren. Nicht der optimale Führungsstil, sondern der bewusste Umgang mit der Verantwortung für die Geführten steht für sie im Mittelpunkt.

Regina Mahlmann bietet einen guten Überblick für alle, die sich in der Welt der Führung jenseits von Moden und Trends zurechtfinden wollen. Sie kreist sechs verschiedene Führungsstile ein, von denen sie die ersten vier, das Autoritäre Führen, das Kooperative Führen, das Situative Führen und das Laisser-faire-Führen, als Klassiker markiert. Denn alle vier klassischen Führungsstile sind nach wie vor im Gebrauch.

Im Verlaufe der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der klassische Kanon dann durch das Systemische und das Symbolische Führen ergänzt. Mit diesen Schritten traten aber nicht nur weitere gleichberechigte Stile des Führens in die Welt. Insbesondere das Systemische Führen hat bewirkt, dass wir die Rolle der Führungskraft heute in einem radikal neuen Licht interpretieren können.

Während bei den klassischen Stilen Führen bedeutet, von außen Einfluss auf die Mitarbeitenden zu nehmen, ist im systemischen Denken die Führungskraft zugleich Mitglied des von ihr zu führenden Systems. Regina Mahlmann: „Im systemischen Szenarium ist die Führungskraft drinnen, ein Teil des systemischen Zusammenhangs und des Zusammenspiels seiner Komponenten. Sie wirkt und bewirkt. Sie beeinflusst und wird beeinflusst.“

Zwar löst das Systemische Führen nicht automatisch die Über- und Unterordnung von Führungkraft und Mitarbeitenden auf, relativiert sie jedoch in der Absolutheit, wie wir sie aus den klassischen Führungsstilen kennen. Die Führungskraft wird für Mitarbeitende mehr und mehr zum Modell, das nicht zuletzt durch vorbildliches Handeln führt. Mit diesem Schritt setzt die Entwicklung einer vollständig neuen Führungsidee ein. Denn wenn Führende als Teile des Systems modellhaft wirken, dann erweitert sich der Raum für die (Selbst-)Führung der Mitarbeitenden.

Führung wird relativ. Sie löst sich von der Position des Führenden hin zu seiner Person. Parallel dazu treten auch die Mitarbeitenden als Menschen in den Vordergrund, die es durch sensible Führung zu entwickeln gilt. Systemisch führenden Führungskräften kommt so mehr und mehr die Aufgabe zu, die Mitarbeitenden zur (Selbst-)Führung zu befähigen. Das entwicklungsorientierte, coachende Führen löst diesen Anspruch am besten ein.

Konsequent zu Ende gedacht, kann sich Führung schließlich auch von der Idee der hierarischen Über- und Unterordnung lösen. So hat sich inzwischen aus dem systemischen Gedanken das noch radikalere Konzept der Selbstführung bzw. Selbstorganisation ganzer Unternehmen entwickelt. Führung wird im komplett selbstorganisatorischen Rahmen zu einer Dienstleistung, die fallbezogen zwischen Personen wechseln kann.

Vielleicht wider Erwarten erledigt sie sich dadurch nicht selbst, sondern wechselt nur den Fokus. Denn eine systemische Führungskraft ist nicht mehr, wie in den klassischen Stilen, übergeordneter Prozesssteuerer und inhaltlicher Experte, sondern vielmehr Menschenentwicklerin und entwicklungsorientierte Kommunikatorin.


Manipulation in der Kommunikation

3. Februar 2023

Dass mit Kommunikation manipuliert werden kann, ist ein Allgemeinplatz. Doch was genau ist eigentlich Manipulation? Gibt es „manipulative Methoden“? Oder hängt Manipulation von der inneren Haltung und Zielsetzung des Kommunikators ab?

Manipulation bedeutet im Wortsinne „Handhabung“ und kann sich in diesem Sinne auf handwerkliche und technische Methoden beziehen. Manipulation steht zum Beispiel in der Medizin für manuelle Methoden, mit denen Blockaden gelöst werden können. Es gibt jedoch eine weitere Bedeutung, die sich auf den psycho-sozialen und politischen Raum bezieht. Manipulation ist dann laut Wikipedia die gezielte und verdeckte Einflussnahme zur Steuerung des Erlebens und Verhaltens anderer, die diesen verborgen bleiben soll.

Doch was genau bedeutet Manipulation in der Kommunikation, und wann genau wird ein Gespräch manipulativ? Da ist eine komplexere Fragestellung, als zunächt zu vermuten ist. Denn sie suggeriert die Möglichkeit, manipulative von nichtmanipulativer Kommunikation klar zu trennen. Doch die Dinge liegen komplizierter: Denn im erstgenannten Sinne ist Kommunikation immer Manipulation, nämlich das Unterfangen, mit Hilfe von (Körper-)Sprache beim Gegenüber gewünschte Wirkungen zu erzeugen. Dafür treten wir nicht nur im Verkauf und im Büro oder der Schule, sondern auch in privaten Beziehungen an. Wir müssen und wollen uns kommunikativ vertreten, um unsere Interessen zu wahren und im Sinne unserer Ziele voranzukommen.

Dieser Prozess der Selbstvertretung und Einflussnahme ist natürlich wechselseitig. Alle an einer Kommunikation Beteiligten vertreten sich selbst, wenn der ein oder andere dabei auch wirksamer agiert und (Körper-)Sprache (un-)bewusst besser zu nutzen weiß. Embodied Communication, das (neuro-)biologisch verkörperte Wesen der Kommunikation, macht uns alle zu „Manipulatoren“ unserer Umwelt: Wir tragen gute oder schlechte Laune in einen Raum, durch (körper-)sprachliches (Des-)Interesse werten wir Menschen auf oder ab und durch unsere Stimmqualität säen wir Verbindlichkeit oder Zweifel in Gesprächen.

Ist es auch Manipulation im zweiten Sinne des Wortes, wenn ich meine gute oder schlechte Laune in eine Gemeinschaft trage, anstatt mich zu beherrschen? Was genau macht den Unterschied zwischen der Kulturtechnik des menschlichen Austausches und der bewussten Manipulation zu den eigenen Gunsten aus? Die Grenzen sind fließend. Denn schließlich beschäftigen sich ganze Berufszweige wie Werbe- und PR-Agenturen auf legaler Basis damit, das Erleben und Verhalten von Menschen mit wirksamen Methoden zu beeinflußen. Selbst Wissenschaftler empfehlen zum Beispiel das Nudging, eine Methode, um subliminal Einfluss auf das Verhalten von Menschen zu nehmen.

Den Unterschied machen also offensichtlich nicht die Methoden, sondern die Billigung der Folgen eigener Kommunikationen aus. Ein guter systemischer NLP-Coach beispielsweise nutzt sein Wissen um die Kommunikation dazu, die Selbstregulation seiner Klientin zu fördern. So gesehen, ist er ein kommunikativ gut geschulter Manipulator zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit seiner Klientin. Zwar kann die Klientin die Methoden des Coachs nicht alle „durchschauen“. Doch im besten Fall sollten die langfristigen Auswirkungen sie von deren Nutzen in ihrem Leben überzeugen. Ein guter Coach ist daher auch immer bereit, mögliche ungünstige Auswirkungen seiner „Manipulation“ zu erkennen und aufzulösen.

Zieht jemand dagegen alle Register, um seine Ziele auf Kosten anderer zu verwirklichen, handelt es sich offensichtlich um Manipulation im zweiten Sinne. Eine Heiratsschwindlerin beispielweise tritt mit diesem Vorsatz an. Den Unterschied macht dabei aber nicht nur die „kriminelle“ Energie, sondern das billigende In-Kauf-Nehmen und die Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen des eigenen Verhaltens für andere aus. Und diese Kombination treffen wir leider immer wieder auch in Alltagskommunikationen an.

Und wie können wir uns wirkungsvoll vor übergriffiger Manipulation schützen? Am besten mit kommunikativem Methoden-Know-how. Denn wer weiß, wie Kommunikation funktioniert, fördert nicht nur das eigene Selbstmanagement, sondern mobilisiert in Gesprächen die nötige Wachsamkeit.


Führungskräfte empfehlen das Führen mit Coaching-Methoden

6. Dezember 2022

Im Herbst ist die 2. Quadriga Coaching Studie 2022 mit dem Fokus Managerial Coaching erschienen. Sie untersucht auf der Basis von 3.153 Antworten aus deutschen Führungskräfte-Kreisen kleiner, mittlerer und großer Unternehmen, welchen Stellenwert das entwicklungsorientierte Führen mit Coaching-Methoden im bundesdeutschen Organisationsalltag besitzt. Die Quintessenz des Studienautors und Executive Directors am Institut für Coaching und Leadership (ICL) der Quadriga Hochschule, David Nitschke: „Der Einsatz von Coaching-Techniken in der Führung besitzt so viel Potenzial, dass wir es uns in Zukunft nicht mehr leisten können, diese Techniken und die dazugehörigen Haltungen im Rahmen der Führungskräfteentwicklung nicht zu trainieren und zu vermitteln.“

Dass selbst die Pandemie den Stellenwert des Personalentwicklungsinstruments Coaching nicht mindern konnte, haben bereits mehrere Studien gezeigt. Auch die Zahlen der Quadriga Coaching Studie 2022 verweisen darauf. Denn 38 Prozent der befragten Personaler unter den teilnehmenden Führungskräften nutzen ihrer Angabe nach Coaching durch interne und externe Partner stark. Aber weniger bekannt ist, dass auch die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden immer häufiger coachen. 37 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, Coaching gelegentlich einzusetzen, immerhin fünf Prozent sprechen von einer ständigen Nutzung.

Die vieldiskutierte Schwierigkeit, die Rolle der Führungskraft mit der auf Neutralität verpflichteten Rolle des professionellen Coachs zu vereinbaren, stellt sich für die meisten Führungskräfte nicht. 58 Prozent der Befragten sehen nur wenig oder gar kein Potenzial für einen Rollenkonflikt. Denn es geht ihnen vor allem um die Methoden, Techniken und inneren Haltungen, die sie vom Coaching übernehmen können. Fragen, Gesprächstechniken, Zielearbeit, Feedbackmethoden und Coaching-Methoden wie GROW sind dabei von besonders großer Bedeutung. Sie nutzen sie, um zum Beispiel Konflikte zu lösen, beim Erreichen von Zielen zu unterstützen und Entwicklungsimpulse zu setzen.

Nach Meinung der befragten Führungskräfte besteht kein Zweifel, dass das Führen mit Coaching-Methoden positive Effekte hat. Hervorgehoben wird insbesondere die Stärkung der Fähigkeit, selbstständig nach Lösungswegen zu suchen sowie die Mitarbeitermotivation zu stärken. Doch nicht alle befragten Führungskräfte stellen sich gleichermaßen entspannt der Aufgabe, coachend zu führen. Ein Grund dafür ist, dass wirkungsvolles Coaching entsprechendes Know-how voraussetzt.

Eine hervorragende Basis für den gewinnbringenden Einsatz von Coaching sind, so die Studie, gute Coaching-Ausbildungen oder unternehmensinterne Schulungen in Coaching-Methoden. Zu den methodischen Spitzenreitern zählen dabei Aus- und Weiterbildungen, die auf der Systemik, dem NLP und der Transaktionsanalyse beruhen. Fehlt eine entsprechende Vorbildung, fällt der coachende Führungsstil schwer und wird nur gelegentlich im Führungsalltag genutzt.


Funktioniert Gedankenlesen?

16. November 2022

„Die Gedanken sind frei“, heißt es in einem deutschen Volkslied. Ist die neurobiologische Forschung gerade dabei, dieser Freiheit ein Ende zu setzen und Gedanken „lesbar“ zu machen? Der Neurowissenschaftler John-Dylan Haynes untersucht in Fenster ins Gehirn zusammen mit dem Wissenschaftsautor Matthias Eckoldt, was die Neurowissenschaft tatsächlich bereits zu leisten vermag und was (noch) als Marketing-Gag gelten darf.

Die zentrale Botschaft der Autoren: Die Neurowissenschaft hat die Sprache der Hirnaktivitätsmuster noch nicht geknackt. Aber es gibt bereits erfolgreiche Versuche, den Gedankencode für einfache Konzepte auszulesen. So hat die TV-Reporterin Sarah Elßer Haynes und sein Team herausgefordert: Die Forscher sollten allein auf der Basis von Hirnmessungen herausfinden, welches der zehn von ihr ausgewählten Bild sie gerade innerlich betrachtet. Die Forscher waren in jedem einzelnen Fall erfolgreich.

So einfach, so gut. Denn Gedankenlesen ist natürlich komplexer. Im beschriebenen Fall ging es um das Erkennen von einfachen Bildern ohne jeden Handlungskontext. Doch die „Sprache“ des Gehirns ist nicht allein in Bildern codiert, sondern auch in Sprache im Sinne des Wortes. Sprache arbeitet nicht nur mit mehrdeutigen, zum Teil auch bildhaften Begriffen, sondern drückt durch die Satzkonstruktion noch einmal auf eine ganz andere Art als Bilder komplexe Beziehungen der einzelnen Teile eines Gedankens aus. Gedankenlesen heißt also, das komplexe Zusammenwirken von Bildern, Sprache und auch Gefühlen im Gehirn zu verstehen.

Gedankenlesen ist aber noch komplexer. Geht es darum, die bewussten Gedanken eines Menschen zu erfassen? Oder erstreckt sich das Gedankenlesen auch auf das Unbewusste in unserem Gehirn? Zum Beispiel auch auf Träume? Experimente beweisen, dass der Gehirnscanner Traumbilder tatsächlich mit einer 80-prozentigen Trefferquote lesen kann. Spannend für Laien: Das Gehirn codiert Trauminhalte auf die gleiche Art wie im Wachzustand. Aber kann man mit moderner Technik auch Gefühle „auslesen? Auch das funktioniert, obwohl Gefühle auf eine komplexe Art und Weise in mehreren Bereichen des Gehirns gleichzeitig codiert sind.

Wahrnehmungen, Vorstellungen, Träume, Erinnerungen, Gefühle und unbewusste geistige Prozesse lassen sich also, wenn auch noch sehr unvollkommen, durch aufwändige Lernprozesse eines Rechners unter Laborbedingungen erfassen. Doch handelt es sich bei diesem Vorgang nicht um ein universelles Gedankenlesen, sondern um einen individuellen, für jede Person einzeln durchzuführenden Prozess. Weil die neuronalen Muster der Menschen vergleichbar sind, aber doch verschieden, entsteht ein enormer Maschinen-Lernaufwand.

Es gibt noch zwei weitere Gründe, warum Gedankenlesen nicht so einfach funktioniert, wie es Meta und Elon Musk in der Öffentlichkeit präsentieren: Zum einen sind die Scanner aufgrund ihrer enormen Größe noch lange nicht alltagstauglich. Zum anderen setzt Gedankenlesen im vollumfänglichen Sinne eine Schnittstelle zum Gehirninneren voraus. Der Cyborg lässt grüßen! Langfristig wirft die Forschung zum Gedankenlesen vielerlei ethische Fragestellungen auf. Auf kurze Sicht liefert sie uns allerdings wertvolle Einblicke in unseren Geist.


Facilitation als co-kreative Zukunftsgestaltung

5. Oktober 2022

Facilitation ist, so der Untertitel des gleichnamigen Fachbuchs von Holger Scholz und Roswitha Vesper, eine Methode zur dialog- und handlungsorientierten Organisationsentwicklung. Doch Facilitation ist ihrem Verständnis noch viel mehr: Die Autoren betrachten „jedes Meeting, jedes Projekt, jede Organisation als ein formbares, gestaltbares soziales Gebilde, das – mit künstlerischer Ambition – Ausdruck einer neuen, wünschenswerten Wirklichkeit werden kann.“

So wird Facilitation zum zentralen Handwerkszeug einer co-kreativen, im offenen Dialog organisierten Neugestaltung der Welt. Denn die Zukunft, so Scholz und Vesper, ist eigentlich schon da. Es geht darum, als Facilitator einen Raum zu schaffen, in dem sie durch geeignete Methoden gemeinsam formuliert werden kann. Wirksam wird Facilitation durch Co-Kreation, den freien Dialog aller Systemmitglieder zur Formulierung zukunftsgewandter Lösungen.

Doch was unterscheidet Facilitation von anderen Formen der Dialoggestaltung, zum Beispiel von klassischen Moderationsmethoden? Der Unterschied liegt nicht zuletzt in der Aufmerksamkeitsfokussierung aller Beteiligten auf Lösungen sowie im Vertrauen darauf, dass alle Stimmen im Raum ihre Berechtigung haben und gehört werden sollten.

„Facilitation“ bietet eine umfassende Einführung in die Geisteshaltung, die Philosophie und die handwerklichen Grundlagen der Methode. Das Fachbuch unterstützt dabei, komplexe Facilitation-Prozesse in ihren einzelnen Phasen sorgfältig zu planen. Der Handwerkskoffer des Facilitators wird mit nützlichen Modellen zur Begleitung des Wandels gefüllt. Als die „Glorreichen Sieben“ führen die Autoren Veranstaltungs-Formate ein, die sich im Prozess der Co-Kreation schon vielfach bewährt haben.

Wer mit Hilfe dieses Buches den Einstieg in Facilitation wagt, könnte angesichts der Dichte und Detailorientierung überfordert sein. Wer nach einem fundierten Rahmen für seine Facilitatoren-Tätigkeit sucht, findet sie hier auf jeden Fall.


Die Natur als Coach

1. September 2022

Die Natur als Arbeitsraum? Das Handbuch für Coachs, (Mental-)Trainer und Therapeuten von Carsten Gans, Katja Dienemann, Anja Hume und Andé Lorino zeigt nicht nur eine große Vielfalt methodischer Möglichkeiten bei der Arbeit in der Natur auf. Es spiegelt auch, dass Natur-Coaching keiner Zielgruppen- und Themeneinschränkung unterliegt (wenn man Naturmuffel außer Acht lässt). Vom Einzel- bis zum Paar- oder auch Business-Coaching ist alles möglich. Doch was ist das Besondere am Natur-Coaching, das den damit verbundenen Aufwand für Klienten und Coachs rechtfertigen kann?

Zum einen berufen sich die Autoren auf die Herkunft des Menschen aus der Natur: Im Wald, auf Wiesen und Feldern, in den Bergen und an vielen anderen naturnahen Orten fällt es leichter, zu sich zu kommen, Stress abfallen zu lassen und sich mit frischem Blick den eigenen Themen zu stellen. Denn die Natur ist gewissermaßen unser eigentliches Zuhause. Zum anderen heben sie hervor, dass es beim Arbeitsraum Natur nicht nur um eine zusätzliche Atmosphäre geht, welche die der geschlossenen Räume ergänzt. Der Natur-Raum lebt und kann gewissermaßen die Rolle eines Co-Coachs einnehmen, während geschlossene Räume statisch bleiben.

Was es bedeutet, die Natur als Coach einzusetzen? Für Katja Dienemann heißt das, ihre Erfolgsprinzipien und Besonderheiten in die Gesprächsführung einzubeziehen und als Coach zu einer Brücke für eine andere Art der Naturwahrnehmung zu werden. Die Natur wird so für den Klienten zu einem Resonanzraum, „… der etwas in ihm zum schwingen bringt.“ Im Idealfall wirkt dann die Natur für sich selbst und vermittelt dem Klienten intuitiv eine neue Wahrnehmung und Perspektive. „Ich verstehe“, so eine Klientin. „Dieser Baum mit der abgebrochenen Krone erinnert mich an mich selbst: Er ist verletzt. Aber seine Äste treiben aus und entwickeln sich weiter.“

Die Natur ist Vorbild und Inspirationsquelle. Sie regt uns an, mit ihr in Resonanz zu gehen und durch Analogien zu lernen. Und sie kann noch mehr. Denn letztendlich gibt es keine bessere Lehrerin für systemisch-vernetzte Sichtweisen als die Natur: Sie lernt durch Feedback, ohne monokausal „Fehler-Etiketten“ zuzuweisen. Denn sie bewertet Ereignisse in einem größeren räumlichen sowie auch zeitlichen Rahmen. Sie ist flexibel, tolerant, anpassungsfähig und auf Kooperation bedacht. Alles hat in der Natur nicht nur seine Berechtigung, sondern auch seine Zeit.

Das Handbuch führt umfassend in die Arbeit in der Natur ein, klärt Wirkungen und informiert über Voraussetzungen. Auf der Basis des NLP, der Hypnose sowie der Aufstellungsarbeit bietet es eine Fülle guter Ideen. Der modulare Aufbau macht es möglich, ohne Informationsverlust einzelne Kapitel, z. B. das Coaching mit Gruppen und Teams, anzusteuern.

Zum Schluss noch ein Appell: Probieren geht auch beim Arbeitsraum Natur bekanntlich über Studieren!


Vorwärts- vor Rückwärts-Coaching?

19. August 2022

Vorwärts-Coaching? Rückwärts-Coaching? Was soll der Unterschied sein? Denn schließlich ist es immer der Auftrag von Coachs, Menschen beim Erreichen von (zukünftigen) Zielen zu begleiten. Doch noch immer haftet Coaching das Image einer Art Nachhilfe für Menschen an, die etwas nicht bewältigen oder ein „Performance-Defizit“ nicht alleine auflösen können.

Diese Art Coaching hat ihrem Verständnis nach eine korrigierende Funktion: Rückwärts-Coaching „repariert“, was nicht gut zu funktionieren scheint, und löst Abweichungen von Soll-Ideen auf. Im Gegensatz dazu ist Coaching im systemischen Sinne immer ein Vorwärts-Denken, ganz unabhängig vom Ausgangspunkt. Probleme, Konflikte, Missempfindungen oder vielleicht auch als Defizit wahrgenommene Aspekte sind lediglich Hinweisgeber für eine neu zu gestaltende Zukunft.

Im Vorwärts-Coaching geht es vor allem um Entwicklung und Gestaltung, ein Prozess, der gewissermaßen „anlasslos“ stattfinden kann, wenn der Wunsch danach im Raum steht. Denn Coaching ist und darf ein Spielraum für die kreative Erneuerung der Zukunft sein. Aber braucht es dafür tatsächlich einen Coach als Begleiter? Nicht unbedingt. Doch der Coach ist nicht nur frei von Interessen, die sich unmittelbar mit der Lebenswelt des Klienten verbinden. Er ist auch ein Experte für kreative Prozesse und kann den Finger auf Denkbarrieren und andere Hindernisse im Entwicklungsprozess legen.

Vorwärts-Coaching nimmt inzwischen auch in Unternehmen einen größeren Spielraum ein: Beispielsweise bekommen einige Führungskräfte gleich bei der Einführung in ihren neuen Job einen Coach zur Seite gestellt. Oder neu formierte Teams erhalten die Chance, in einem Team-Coaching zueinander zu finden. Auch in agilen Kontexten wird es immer selbstverständlicher, dass ein Coach Teamprozesse begleitet und proaktiv für eine gute Zusammenarbeit sorgt.

Dem Vorwärts-Coaching gehört die Zukunft. Denn angesichts der wachsenden Komplexität vieler Fragestellungen und Entscheidungen sowie der schnellen Veränderungen wird die individuelle Klarheit und der gute Zugriff auf die eigenen persönlichen Ressourcen immer wichtiger. Daten und Fakten allein helfen nicht mehr, Strategien gut zu begründen. Eine sorgfältig entwickelte Zukunftsvision, verbunden mit einer persönlichen Werte-Positionierung und einem sorgfältigen Öko-Check der zu erwartenden Auswirkungen, nimmt daher eine zentrale Steuerungsfunktion im Alltag ein.


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