Archive for the 'Coach & Coaching-Methoden' Category

Wieder mehr Präsenz-Coaching

23. Mai 2023

Wie steht der Coaching-Markt nach drei Ausnahmejahren da? Welche Trends zeichnen sich ab, und welche wirtschaftlichen Perspektiven lassen sich erkennen? Die RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023, für die die Angaben von 755 deutschen Coachs ausgewertet wurden, lässt eine leichte Erholung des Coachings-Markts erkennen. Außerdem wurde das Online-Coaching, das im Verlaufe der Pandemie zum beliebtesten Coaching-Format avanciert war, vom Präsenz-Coaching eingeholt. 53,03 % aller Coachings finden jetzt wieder im gemeinsamen Raum statt.

Die an der Studie beteiligten Coachs waren zum Studienzeitpunkt durchschnittlich 52 Jahre alt. 89 % von ihnen verfügen über eine akademische Bildung, 9,15 % zusätzlich über eine Promotion. Neben ihrer Coaching-Erfahrung haben viele Coachs langjährige Führungserfahrung. Das entspricht ihren Kernzielgruppen, die vor allem im Top-Management und im mittleren Management zu finden sind. Das mittlere Management insgesamt steigerte von 2022 bis 2023 seinen Anteil an Coachings um immerhin 4,54 %. Das mittlere Management in Großunternehmen stellte mit 13,38 % neben dem Top-Management der KMU (10,71 %) die größten Anteile von Zielgruppen am Coaching-Markt.

Die berufliche Haupttätigkeit von Coachs liegt klar beim Coaching. Coachs verteilten im vergangenen Jahr 42,94 % ihrer Zeit auf das Coaching. Die übrige Zeit waren sie tätig im Training (14,11 %) sowie in weiteren Dienstleistungen wie Organisationsentwicklung, Unternehmensberatung und Personalentwicklung. Das Einkommen stieg im vergangenen Jahr wieder um 6,47 % an, nachdem pandemiebedingt ein Einbrechen zu verzeichnen gewesen war. Das Honorar bewegte sich im Untersuchungszeitraum durchschnittlich in der Höhe von EUR 166,13, während Coachs 2020 noch EUR 177,60 einfordern konnten.

Der durchschnittliche Coaching-Klient war im vergangenen Jahr zwischen 45 und 49 Jahren alt und mehrheitlich weiblich. Mehrheitlich hatten die Coachings im Untersuchungszeitraum eine Länge von 6 bis 10 Stunden (30,54 %), gefolgt von Coachings im Umfang von 11-15 Stunden (18,74 %). Die meisten Coachings werden von Unternehmen finanziert. Nur 9,25 % aller Coachings sind Privatcoachings.

Das klassische Coaching-Format ist mit 44,18 % immer noch das Einzel-Coachings. Doch die während der Pandemie zu verzeichnende Tendenz zum Teamcoaching konnte sich stabilisieren. 22,45 % aller Coaching-Varianten sind Teamcoachings. Die bereits im Vorjahr zu verzeichnende Tendenz zum Konfliktcoaching hat sich 2023 noch verstärkt. Hierfür könnten verschleppte Konflikte ebenso wie die Besonderheiten der Remote-Arbeit verantwortlich sein.

Geschichten als Vehikel für mobiles Bewusstsein

24. April 2023

„Menschen zeichnen sich durch ein mobiles Bewusstsein aus, mit dem sie sich an alle möglichen Orte und in alle möglichen Situationen versetzen können.“ Genau diese Fähigkeit, sich mental nicht nur in der Gegenwart, sondern in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten aufzuhalten, und sich in andere hineinzuversetzen, macht den Menschen einzigartig. Anlass für Fritz Breithaupt, Professor für Kognitionswissenschaften und Germanistik, sich intensiver mit dem Narrativen Gehirn zu befassen:

Das Geschichtenerzählen, so seine Argumentation, ist nicht nur unterhaltsames Beiwerk unseres Lebens, sondern eine integrale Qualität des Verstandes. Weil wir uns mit Geschichten befassen, müssen wir nicht alle Erfahrungen selber machen, sondern können in einem empathischen Akt der Co-Erfahrung mit den Protagonisten der Geschichten lernen. Durch das Weitererzählen und Tradieren von Geschichten entwickeln wir zudem eine stabile mentale Umwelt, in der wir uns sicher bewegen können. Geschichten begründen Gruppen-Idenitäten und stiften Kultur.

Geschichten erlauben außerdem, probezuhandeln, vielseitige Perspektiven einzunehmen und multiversional zu denken. Denn die Spannung in Geschichten lebt von verschiedenesten Blickwinkeln und Sichtweisen, die erst am Ende „ausverhandelt“ sind. Demzufolge enden gute Geschichte immer mit einer emotionalen Quintessenz. Dieses Gefühl erlebt das Gehirn gewissermaßen als Belohnung und ankert den damit verbundenen Lerneffekt. Geschichten finden daher immer wieder Einsatz nicht nur in therapeutischen oder pädagogischen Kontexten, sondern auch im Marketing.

Nicht nur der Emotionsanker zum Abschluss macht Geschichten besonders merkfähig. Weil Geschichten eine Ordnung in den unendlichen Zeitfluss bringen und Ereignisse in einen kohärenten, kausal nachvollziehbaren Zusammenhang stellen, lassen sie sich leicht erinnern und dann auch weitererzählen. Darin unterscheidet sich narratives Denken vom kausal-analytischen Denken oder anderen Denkformen wie dem Denken in Tagträumen und Bildern, die diese Vorzug nicht in der gleichen Art und Weise bieten.

Geschichten thematisieren darüber hinaus manchmal menschliche oder gesellschaftliche Phänomene, bevor diese wissenschaftlich auf die Agenda kommen. So wurde die Theorie des psychologischen Traumas inklusive des Krankheitsbildes der Posttraumatischen Belastungsstörung nicht zuerst in der Medizin, sondern in der Literatur entwickelt. Denn Geschichten erlauben es durch ihren narrativen Spannungsbogen, besser mit Traumata umzugehen. Die erlösenden Emotionen am Ende einer Narration sind, so Fritz Breithaupt, wie eine „… Karotte, der wir nachjagen, wenn wir uns in einen narrativen Strang begeben“.

Manipulation in der Kommunikation

3. Februar 2023

Dass mit Kommunikation manipuliert werden kann, ist ein Allgemeinplatz. Doch was genau ist eigentlich Manipulation? Gibt es „manipulative Methoden“? Oder hängt Manipulation von der inneren Haltung und Zielsetzung des Kommunikators ab?

Manipulation bedeutet im Wortsinne „Handhabung“ und kann sich in diesem Sinne auf handwerkliche und technische Methoden beziehen. Manipulation steht zum Beispiel in der Medizin für manuelle Methoden, mit denen Blockaden gelöst werden können. Es gibt jedoch eine weitere Bedeutung, die sich auf den psycho-sozialen und politischen Raum bezieht. Manipulation ist dann laut Wikipedia die gezielte und verdeckte Einflussnahme zur Steuerung des Erlebens und Verhaltens anderer, die diesen verborgen bleiben soll.

Doch was genau bedeutet Manipulation in der Kommunikation, und wann genau wird ein Gespräch manipulativ? Da ist eine komplexere Fragestellung, als zunächt zu vermuten ist. Denn sie suggeriert die Möglichkeit, manipulative von nichtmanipulativer Kommunikation klar zu trennen. Doch die Dinge liegen komplizierter: Denn im erstgenannten Sinne ist Kommunikation immer Manipulation, nämlich das Unterfangen, mit Hilfe von (Körper-)Sprache beim Gegenüber gewünschte Wirkungen zu erzeugen. Dafür treten wir nicht nur im Verkauf und im Büro oder der Schule, sondern auch in privaten Beziehungen an. Wir müssen und wollen uns kommunikativ vertreten, um unsere Interessen zu wahren und im Sinne unserer Ziele voranzukommen.

Dieser Prozess der Selbstvertretung und Einflussnahme ist natürlich wechselseitig. Alle an einer Kommunikation Beteiligten vertreten sich selbst, wenn der ein oder andere dabei auch wirksamer agiert und (Körper-)Sprache (un-)bewusst besser zu nutzen weiß. Embodied Communication, das (neuro-)biologisch verkörperte Wesen der Kommunikation, macht uns alle zu „Manipulatoren“ unserer Umwelt: Wir tragen gute oder schlechte Laune in einen Raum, durch (körper-)sprachliches (Des-)Interesse werten wir Menschen auf oder ab und durch unsere Stimmqualität säen wir Verbindlichkeit oder Zweifel in Gesprächen.

Ist es auch Manipulation im zweiten Sinne des Wortes, wenn ich meine gute oder schlechte Laune in eine Gemeinschaft trage, anstatt mich zu beherrschen? Was genau macht den Unterschied zwischen der Kulturtechnik des menschlichen Austausches und der bewussten Manipulation zu den eigenen Gunsten aus? Die Grenzen sind fließend. Denn schließlich beschäftigen sich ganze Berufszweige wie Werbe- und PR-Agenturen auf legaler Basis damit, das Erleben und Verhalten von Menschen mit wirksamen Methoden zu beeinflußen. Selbst Wissenschaftler empfehlen zum Beispiel das Nudging, eine Methode, um subliminal Einfluss auf das Verhalten von Menschen zu nehmen.

Den Unterschied machen also offensichtlich nicht die Methoden, sondern die Billigung der Folgen eigener Kommunikationen aus. Ein guter systemischer NLP-Coach beispielsweise nutzt sein Wissen um die Kommunikation dazu, die Selbstregulation seiner Klientin zu fördern. So gesehen, ist er ein kommunikativ gut geschulter Manipulator zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit seiner Klientin. Zwar kann die Klientin die Methoden des Coachs nicht alle „durchschauen“. Doch im besten Fall sollten die langfristigen Auswirkungen sie von deren Nutzen in ihrem Leben überzeugen. Ein guter Coach ist daher auch immer bereit, mögliche ungünstige Auswirkungen seiner „Manipulation“ zu erkennen und aufzulösen.

Zieht jemand dagegen alle Register, um seine Ziele auf Kosten anderer zu verwirklichen, handelt es sich offensichtlich um Manipulation im zweiten Sinne. Eine Heiratsschwindlerin beispielweise tritt mit diesem Vorsatz an. Den Unterschied macht dabei aber nicht nur die „kriminelle“ Energie, sondern das billigende In-Kauf-Nehmen und die Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen des eigenen Verhaltens für andere aus. Und diese Kombination treffen wir leider immer wieder auch in Alltagskommunikationen an.

Und wie können wir uns wirkungsvoll vor übergriffiger Manipulation schützen? Am besten mit kommunikativem Methoden-Know-how. Denn wer weiß, wie Kommunikation funktioniert, fördert nicht nur das eigene Selbstmanagement, sondern mobilisiert in Gesprächen die nötige Wachsamkeit.

Führungskräfte empfehlen das Führen mit Coaching-Methoden

6. Dezember 2022

Im Herbst ist die 2. Quadriga Coaching Studie 2022 mit dem Fokus Managerial Coaching erschienen. Sie untersucht auf der Basis von 3.153 Antworten aus deutschen Führungskräfte-Kreisen kleiner, mittlerer und großer Unternehmen, welchen Stellenwert das entwicklungsorientierte Führen mit Coaching-Methoden im bundesdeutschen Organisationsalltag besitzt. Die Quintessenz des Studienautors und Executive Directors am Institut für Coaching und Leadership (ICL) der Quadriga Hochschule, David Nitschke: „Der Einsatz von Coaching-Techniken in der Führung besitzt so viel Potenzial, dass wir es uns in Zukunft nicht mehr leisten können, diese Techniken und die dazugehörigen Haltungen im Rahmen der Führungskräfteentwicklung nicht zu trainieren und zu vermitteln.“

Dass selbst die Pandemie den Stellenwert des Personalentwicklungsinstruments Coaching nicht mindern konnte, haben bereits mehrere Studien gezeigt. Auch die Zahlen der Quadriga Coaching Studie 2022 verweisen darauf. Denn 38 Prozent der befragten Personaler unter den teilnehmenden Führungskräften nutzen ihrer Angabe nach Coaching durch interne und externe Partner stark. Aber weniger bekannt ist, dass auch die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden immer häufiger coachen. 37 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, Coaching gelegentlich einzusetzen, immerhin fünf Prozent sprechen von einer ständigen Nutzung.

Die vieldiskutierte Schwierigkeit, die Rolle der Führungskraft mit der auf Neutralität verpflichteten Rolle des professionellen Coachs zu vereinbaren, stellt sich für die meisten Führungskräfte nicht. 58 Prozent der Befragten sehen nur wenig oder gar kein Potenzial für einen Rollenkonflikt. Denn es geht ihnen vor allem um die Methoden, Techniken und inneren Haltungen, die sie vom Coaching übernehmen können. Fragen, Gesprächstechniken, Zielearbeit, Feedbackmethoden und Coaching-Methoden wie GROW sind dabei von besonders großer Bedeutung. Sie nutzen sie, um zum Beispiel Konflikte zu lösen, beim Erreichen von Zielen zu unterstützen und Entwicklungsimpulse zu setzen.

Nach Meinung der befragten Führungskräfte besteht kein Zweifel, dass das Führen mit Coaching-Methoden positive Effekte hat. Hervorgehoben wird insbesondere die Stärkung der Fähigkeit, selbstständig nach Lösungswegen zu suchen sowie die Mitarbeitermotivation zu stärken. Doch nicht alle befragten Führungskräfte stellen sich gleichermaßen entspannt der Aufgabe, coachend zu führen. Ein Grund dafür ist, dass wirkungsvolles Coaching entsprechendes Know-how voraussetzt.

Eine hervorragende Basis für den gewinnbringenden Einsatz von Coaching sind, so die Studie, gute Coaching-Ausbildungen oder unternehmensinterne Schulungen in Coaching-Methoden. Zu den methodischen Spitzenreitern zählen dabei Aus- und Weiterbildungen, die auf der Systemik, dem NLP und der Transaktionsanalyse beruhen. Fehlt eine entsprechende Vorbildung, fällt der coachende Führungsstil schwer und wird nur gelegentlich im Führungsalltag genutzt.

Die Natur als Coach

1. September 2022

Die Natur als Arbeitsraum? Das Handbuch für Coachs, (Mental-)Trainer und Therapeuten von Carsten Gans, Katja Dienemann, Anja Hume und Andé Lorino zeigt nicht nur eine große Vielfalt methodischer Möglichkeiten bei der Arbeit in der Natur auf. Es spiegelt auch, dass Natur-Coaching keiner Zielgruppen- und Themeneinschränkung unterliegt (wenn man Naturmuffel außer Acht lässt). Vom Einzel- bis zum Paar- oder auch Business-Coaching ist alles möglich. Doch was ist das Besondere am Natur-Coaching, das den damit verbundenen Aufwand für Klienten und Coachs rechtfertigen kann?

Zum einen berufen sich die Autoren auf die Herkunft des Menschen aus der Natur: Im Wald, auf Wiesen und Feldern, in den Bergen und an vielen anderen naturnahen Orten fällt es leichter, zu sich zu kommen, Stress abfallen zu lassen und sich mit frischem Blick den eigenen Themen zu stellen. Denn die Natur ist gewissermaßen unser eigentliches Zuhause. Zum anderen heben sie hervor, dass es beim Arbeitsraum Natur nicht nur um eine zusätzliche Atmosphäre geht, welche die der geschlossenen Räume ergänzt. Der Natur-Raum lebt und kann gewissermaßen die Rolle eines Co-Coachs einnehmen, während geschlossene Räume statisch bleiben.

Was es bedeutet, die Natur als Coach einzusetzen? Für Katja Dienemann heißt das, ihre Erfolgsprinzipien und Besonderheiten in die Gesprächsführung einzubeziehen und als Coach zu einer Brücke für eine andere Art der Naturwahrnehmung zu werden. Die Natur wird so für den Klienten zu einem Resonanzraum, „… der etwas in ihm zum schwingen bringt.“ Im Idealfall wirkt dann die Natur für sich selbst und vermittelt dem Klienten intuitiv eine neue Wahrnehmung und Perspektive. „Ich verstehe“, so eine Klientin. „Dieser Baum mit der abgebrochenen Krone erinnert mich an mich selbst: Er ist verletzt. Aber seine Äste treiben aus und entwickeln sich weiter.“

Die Natur ist Vorbild und Inspirationsquelle. Sie regt uns an, mit ihr in Resonanz zu gehen und durch Analogien zu lernen. Und sie kann noch mehr. Denn letztendlich gibt es keine bessere Lehrerin für systemisch-vernetzte Sichtweisen als die Natur: Sie lernt durch Feedback, ohne monokausal „Fehler-Etiketten“ zuzuweisen. Denn sie bewertet Ereignisse in einem größeren räumlichen sowie auch zeitlichen Rahmen. Sie ist flexibel, tolerant, anpassungsfähig und auf Kooperation bedacht. Alles hat in der Natur nicht nur seine Berechtigung, sondern auch seine Zeit.

Das Handbuch führt umfassend in die Arbeit in der Natur ein, klärt Wirkungen und informiert über Voraussetzungen. Auf der Basis des NLP, der Hypnose sowie der Aufstellungsarbeit bietet es eine Fülle guter Ideen. Der modulare Aufbau macht es möglich, ohne Informationsverlust einzelne Kapitel, z. B. das Coaching mit Gruppen und Teams, anzusteuern.

Zum Schluss noch ein Appell: Probieren geht auch beim Arbeitsraum Natur bekanntlich über Studieren!

Vorwärts- vor Rückwärts-Coaching?

19. August 2022

Vorwärts-Coaching? Rückwärts-Coaching? Was soll der Unterschied sein? Denn schließlich ist es immer der Auftrag von Coachs, Menschen beim Erreichen von (zukünftigen) Zielen zu begleiten. Doch noch immer haftet Coaching das Image einer Art Nachhilfe für Menschen an, die etwas nicht bewältigen oder ein „Performance-Defizit“ nicht alleine auflösen können.

Diese Art Coaching hat ihrem Verständnis nach eine korrigierende Funktion: Rückwärts-Coaching „repariert“, was nicht gut zu funktionieren scheint, und löst Abweichungen von Soll-Ideen auf. Im Gegensatz dazu ist Coaching im systemischen Sinne immer ein Vorwärts-Denken, ganz unabhängig vom Ausgangspunkt. Probleme, Konflikte, Missempfindungen oder vielleicht auch als Defizit wahrgenommene Aspekte sind lediglich Hinweisgeber für eine neu zu gestaltende Zukunft.

Im Vorwärts-Coaching geht es vor allem um Entwicklung und Gestaltung, ein Prozess, der gewissermaßen „anlasslos“ stattfinden kann, wenn der Wunsch danach im Raum steht. Denn Coaching ist und darf ein Spielraum für die kreative Erneuerung der Zukunft sein. Aber braucht es dafür tatsächlich einen Coach als Begleiter? Nicht unbedingt. Doch der Coach ist nicht nur frei von Interessen, die sich unmittelbar mit der Lebenswelt des Klienten verbinden. Er ist auch ein Experte für kreative Prozesse und kann den Finger auf Denkbarrieren und andere Hindernisse im Entwicklungsprozess legen.

Vorwärts-Coaching nimmt inzwischen auch in Unternehmen einen größeren Spielraum ein: Beispielsweise bekommen einige Führungskräfte gleich bei der Einführung in ihren neuen Job einen Coach zur Seite gestellt. Oder neu formierte Teams erhalten die Chance, in einem Team-Coaching zueinander zu finden. Auch in agilen Kontexten wird es immer selbstverständlicher, dass ein Coach Teamprozesse begleitet und proaktiv für eine gute Zusammenarbeit sorgt.

Dem Vorwärts-Coaching gehört die Zukunft. Denn angesichts der wachsenden Komplexität vieler Fragestellungen und Entscheidungen sowie der schnellen Veränderungen wird die individuelle Klarheit und der gute Zugriff auf die eigenen persönlichen Ressourcen immer wichtiger. Daten und Fakten allein helfen nicht mehr, Strategien gut zu begründen. Eine sorgfältig entwickelte Zukunftsvision, verbunden mit einer persönlichen Werte-Positionierung und einem sorgfältigen Öko-Check der zu erwartenden Auswirkungen, nimmt daher eine zentrale Steuerungsfunktion im Alltag ein.

Teamcoaching professionalisieren

7. Juli 2022

Aktuelle Marktdaten belegen, dass der Anteil der Team- und Gruppencoachings am Gesamt-Coachingmarkt beträchtlich zugenommen hat. Beinahe 37 Prozent aller Coachings finden inzwischen in Teams und Gruppen statt. Es ist daher an der Zeit, das Teamcoaching, das bislang auch in vielen Ausbildungen eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat, weiter zu professionalisieren. Svenja Hofert und Thorsten Visbal wollen in ihrem 2021 erschienenen Buch zeigen „wie Teams funktionieren und wann sie effektiv arbeiten„.

Das große Plus dieses Grundlagenwerks: Von Begriffsdefinitionen über die Diskussion von Wertehaltungen und Grundannahmen, von gruppendynamischen Phänomenen und Rollenklärungen bis zur Auflösung von Konflikten, vom Teamcoaching in Präsenz bis zur Remote-Arbeit führen die Autoren in alle Facetten des Teamcoachings ein. Klassische Modelle und Tools wie zum Beispiel die Teamuhr nach Tuckman werden ergänzt durch moderne Herangehensweisen, zum Beispiel agile Spiele.

Einzig und allein die Dichte der beschriebenen Methoden, zumeist in tabellarischer Form, dürfte für den Einsteiger in das Teamcoaching eher abschreckend als animierend sein. Denn die damit verbundene Abstraktheit erschwert es, in eine praktische Umsetzung zu gehen. Insofern ist das Buch eher ein Nachschlagewerk für Profis, die sich in kurzer Zeit in eine Thematik einarbeiten wollen.

Sehr hilfreich sind die systemischen Grundannahmen, die die Autoren formulieren: „Ich bin selbst die wichtigste Intervention“ verweist auf die Bedeutung, die der geschulten Rollenklarheit und der metaperspektischen Grundhaltung eines Teamcoachs zukommt. „Ohne Emotionen bewegt sich nichts“ spiegelt das Wissen darum, dass Veränderung nur mit neuronalem „Feuer“ gelingt. „Alles hat zwei Seiten“ klingt zunächst banal, fördert aber die geistige Flexibilität. „Nur Verhalten zählt“ hilft, hinter die Fassade der Bewertungen zu schauen.

Und nicht zuletzt die Annahme „Entwicklung vor Zufriedenheit“ schützt davor, vordergründige Lösungen zu finden. Die Beobachtung der Autoren: „Ist die Zeit … reif, dann führt der Weg zu einer neuen Erkenntnis fast immer über eine Irritation und selten über sofortiges lautes Hurra.“

Jeder Coach ist anders

17. Juni 2022

Die gerade veröffentlichte Rauen Coaching-Marktanalyse 2022, der die Daten von 407 befragten Coachs zugrunde liegen, analysiert die Entwicklung des Coachingmarkts im zweiten Jahr der Pandemie. Besonders auffällig: Online-Coaching ist mit einem Anteil von 45% inzwischen zum Standardformat vor dem Präsenz-Coaching (44,1%) geworden. Außerdem hat der Anteil der Team- und Gruppencoachings beträchtlich zugenommen. Betrug er 2021 noch insgesamt 23,16%, beläuft er sich nun auf 36,69% des Coaching-Markts. Vieles deutet darauf hin, dass Konflikte ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind.

Noch eine weitere wichtige Erkenntnis der Analyse: Den prototypischen Coach gibt es eigentlich nicht. Besonders deutlich wird dies bei einem Blick auf die Zielgruppen. Obgleich die Mehrheit der Coachs über eine akademische Ausbildung verfügt und häufig bereits mehrere Jahre Führungstätigkeit nachweisen kann, coachen sie doch die unterschiedlichsten Zielgruppen, verbunden mit stark variierenden Einkommenschancen. Den größten Anteil am Coaching-Markt machen Privatpersonen mit beruflichen Anliegen aus (48,3%) aus, gefolgt von Führungskräften im Mittleren Management (43,84%). Aber auch der Anteil der Schulpflichtigen, Studierenden und Arbeitslosen am Zielgruppenspektrum nimmt zu.

Insgesamt ist im vergangenen Jahr der Coaching-Anteil an der Jahresarbeitszeit von Coachs von 33,19% auf 45,16% gestiegen. Das durchschnittliche Honorar, das bereits im vergangenen Jahr mit EUR 175,83 rückläufig war, ist dagegen auf EUR 164,65 gesunken. Allein die Soloselbstständigen mit freien Mitarbeitern konnten ihr Einkommen im Vergleich zum Vorjahr verbessern. Insgesamt nimmt die Zahl der Soloselbstständigen am Markt zugunsten von Coaching-Unternehmen ab. Waren 2021 Coachs mit geringerer Berufserfahrung noch erfolgreicher als ihre Kollegen mit langjähriger Erfahrung, so hat sich 2022 dieser Trend 2022 wieder umgekehrt.

Coaching wird in über der Hälfte aller Fälle (50,58%) vom Unternehmen finanziert. 33,28% aller Coachings zahlen die Klienten selbst. Alle übrigen Coachings werden von Weiterbildungsträgern, der Arbeitsagentur oder anderen Trägern ermöglicht. Das wichtigste Coaching-Thema ist die Reflexion der eigenen Führungsrolle, in 2022 gefolgt vom Thema Konfliktmanagement, das 2021 noch zu den Mittelfeldthemen gehörte. Offenbar gibt es so einziges zu tun, um den „Teamfluss“ nach zwei Jahren Pandemie und Homeoffice wiederherzustellen.

Die Untersuchungsergebnisse zum Thema Coach-Marketing unterscheiden sich im Jahresvergleich in geringerem Maße als die übrigen Daten. Weiterempfehlung bleibt der wichtigste Faktor für den Erfolg, gefolgt von der Spezialisierung und dem persönlichen Kontakt vor einem Coaching. Bei den Social-Media-Kanal-Aktivitäten führen LinkedIn und Xing an. Facebook, Instagram und Pinterest spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle, wenngleich Facebook-Aktivitäten aus der Warte der Coachs, die das Medium nutzen, genauso wirksam ist wie LinkedIn und Xing.

Neurotraining für die Psyche

24. Mai 2022

Die Botschaft, dass Körper, Emotionen und Geist Teile desselben Systems darstellen, hat keinen Neuigkeitswert mehr. Schon seit zwei Jahrzehnten werden die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist, vermittelt über unser Gehirn, intensiv erforscht. Doch in jüngster Zeit hat sich durch diese Entwicklung auch der therapeutische Fokus verschoben. Bislang als psychisch kategorisierte Probleme werden inzwischen immer häufiger auch aus neuronaler Perspektive betrachtet und auf neuen körperorientierten Wegen behandelt.

Ein Beispiel für diesen Trend liefert das von den Sporttrainern Lars Lienhard und Ulla Schmid-Fetzer verfasste Buch zur Neuronalen Heilung. Darin beschäftigen sie sich mit den Funktionen der Inselrinde, die für die innere Wahrnehmung zuständig ist. Mit einfachen und größtenteil bereits bekannten, aber in ihrer Wirkung durchaus verkannten Körperübungen zielen sie darauf, die Balance zwischen den zwei zentralen Kräften unseres vegetativen Nervensystems, dem Sympathicus und dem Parasympathicus, zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Dazu ist es wichtig, dass die Inselrinde Informationen aus der Umwelt, dem Körperinneren, dem Fühlen sowie der Bewegung bestmöglich integriert.

Der hintere Teil der Inselrinde beurteilt vor allem die über den Vagusnerv eingehenden Informationen, Gefühlsintensitäten und sowie Gleichgewichtssignale. Der mittlere Teil prozessiert Geruch, Geschmack, akustische Signale sowie weitere Aspekte des Gleichgewichts. Im vorderen Teil geht es um die bewusste Wahrnehmung und die kognitive Beurteilung der Informationen. Die Inselrinde steht wiederum in enger Verbindung mit dem Frontallappen, der es ermöglicht, auf Impulse angemessen zu reagieren.

Das Training des Vagusnervs, Gleichgewichts- und Geruchs- sowie Geschmacksübungen, kombiniert mit Augenübungen, akustischen Übungen und Atemübungen, regulieren innere Vorgänge wie Emotionen und zum Beispiel Essverhalten. Sie bereiten außerdem den Boden für die Fähigkeit, das sozial-emotionale Zentrum im vorderen Bereich der Inselrinde gut zu steuern. Hinweise auf eine Dysbalance in diesem Bereich können Stress, Phobien, Panikattacken und depressive Stimmungen sein.

Mit dem Wissen um körperorientierte Methoden eröffnen sich neue Selbsthilfemöglichkeiten für Menschen, die ihr Körpergefühl verbessern, Stress reduzieren, Emotionen regulieren und ihre Aufmerksamkeit für Aufgaben schärfen wollen. Den Wirksamkeitsnachweis des beschriebenen Trainings insbesondere für die psychischen Anwendungen können natürlich nur entsprechende Studien erbringen. Dass sich neuronales Training messbar positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt, haben die Autoren als Trainer im Spitzensport jedenfalls bereits bewiesen.

Ethik im Coaching

27. April 2022

Coaching ist eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit. Denn schließlich schenken die Klienten dem Coach ein hohes Maß an Vertrauen. Sie „vertrauen sich an“ und teilen mit ihm ihr ganz persönliches Erleben und die damit verbundenen Emotionen. Das ethische Verhalten des Coachs ist daher der Dreh- und Angelpunkt für die Qualität der Beziehung, die Coach und Klient miteinander aufbauen.

Coaching macht es sich per definitionem zur Aufgabe, nicht die eigenen Ziele, sondern die Ziele des Klienten in den Mittelpunkt zu stellen. Es setzt aus diesem Grund immer die professionelle Rollenklarheit des Coachs voraus. Auch beim Coaching von Freunden oder Bekannten verfügt ein geschulter Coach über die Kompetenz, die persönliche von der professionellen Ebene klar zu trennen.

Der Coach verantwortet zwar nicht die vom Klienten gefundenen Lösungen, zum Beispiel eine Trennung vom Arbeitgeber. Doch er ist verantwortlich für die Beziehungsqualität zum Klienten und für Qualität des Coaching-Prozesses. Zu seinen Aufgaben gehört es außerdem, seine berufsbezogenen Kompetenzen weiterzuentwickeln und die Grenzen seiner Kompetenzen in einem Coaching klar zu erkennen. Wenn sich beispielsweise Themen im Verlaufe des Coachings als therapiebedürftig darstellen, gehört die Verweisung an Experten zur Kompetenzausübung des Coachs.

Zum Coaching gehört neben der Verschwiegenheit auch eine durchgehende Wertschätzung für die Haltung und das Verhalten des Klienten. Ohne die Fähigkeit, allen (in-)direkt Beteiligten gegenüber Neutralität zu bewahren, wird der Coach seiner Aufgabe nicht gerecht. Denn zum Coaching gehört die systemische Überzeugung, dass allem Verhalten eine positive Absicht innewohnt und insofern jedem der gebührende Respekt zu zollen ist.

Die systemische Grundhaltung des Coachs führt zu einem ökologischen Denken, das die Komplexität der Wechselwirkungen in Systemen im Blick hat. Aus dieser Sicht sind Klienten-Lösungen nur dann langfristig tragfähig, wenn sie der inneren sowie äußeren Ökologie des Klienten entsprechen und ihn auf längere Sicht weniger kosten als das alte Verhaltensprogramm. Gute Coaching-Lösungen orientieren sich nicht am schnellen, sondern immer am nachhaltigen Erfolg.

Der inflationäre Gebrauch des Begriffs Coach in den Medien und in der Wirtschaft legt nahe, dass jeder jederzeit über Coaching-Kompetenzen verfügen kann. Doch es liegt auf der Hand, dass die genannten Coach-Fähigkeiten einer gezielten Schulung bedürfen. Coaching ist ein Berufsbild, bei dem methodische Qualitäten und die Bereitschaft zur Persönlichkeitsentwicklung sowie ethisch ausgerichtetem Handeln untrennbar miteinander verknüpft sind.

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