Archive for the 'Persönlichkeit & Persönlichkeitsentwicklung' Category

Life Coaching oder Business Coaching?

9. Juni 2020

10

Wer einen Coach sucht, stößt des Öfteren auf die Frage, ob der gesuchte Anbieter ein Life- oder Business Coach sein sollte. Das ist für zukünftige Klienten nicht einfach zu beantworten. Denn dazu bräuchten sie bereits die Hilfe des Coachs. Das Problem mit Problemen, die nach wie vor oft Auslöser und Anlass für das Coaching-Bedürfnis sind: Es ist schwierig, sie einzelnen Lebenssphären genau zuordnen zu können.

Das Einstiegs-Coaching-Thema erweist sich in vielen Fällen nicht als das Thema, das später das eigentliche Thema ist. Die Frage nach Life Coaching oder Business Coaching stellt sich dem systemischen NLP-Coach daher nicht. Wenn das Coaching im beruflichen Umfeld stattfindet und eine vertrauensvolle Basis zwischen Klient und Coach aufgebaut ist, kommt oft sehr schnell das Gespräch auf den privaten Kontext des Klienten. Nicht selten lässt sich auch genau in diesem Kontext eine Lösung für das professionelle Anliegen finden.

Umgekehrt schneidet natürlich auch jedes Life Coaching die berufliche Seite des Menschen an. Denn wer kann schon beide Sphären klar voneinander trennen, zumal seit dem rasanten Anstieg der Homeoffice-Arbeit durch die Corona-Krise für viele Schreibtischarbeiter beide Lebensfelder zusammengewachsen sind. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Menschen ausdrücklich wünschen, die beiden Lebenssysteme Privatleben und Arbeit enger miteinander zu verzahnen.

Die Unterscheidung in Life und Business Coaching entspricht also weder den modernen Lebensbedürfnissen, noch ist sie aus intra-systemischer Warte theoretisch schlüssig. In Anlehnung an den Soziologen Niklas Luhmann betrachten inter-systemische Coachs das jeweils nicht fokussierte System, ob beruflich oder privat, als Umwelt des fokussierten Systems. Aus intra-systemischer Warte aber, jenseits der Soziologie, vermischen sich die Systeme nach den individuellen Maßstäben des Klienten. Das Unbewusste entscheidet, was womit und warum zusammenhängt.

Für Coachs empfiehlt es sich daher, weder in ihrer Ausbildung noch in der Praxis eingegrenzt zu denken. Selbstverständlich ist aber, dass jeder thematisch spezialisierte Coachs die nötige Feldkompetenz in seinem Gebiet braucht. Ein vorwiegend im Business tätiger Coach zum Beispiel braucht Fach- und Erfahrungswissen aus der Wirtschaft. Ein auf Beziehungen spezialisierte Privatkunden-Coach ist für Qualität auf das nötige Know-how aus diesem Bereich angewiesen.

Kompetenzen als Sicherungsanker

29. Januar 2020

Wie halten es die Unternehmen im deutschsprachigen Bereich mit dem Thema lebenslanges Lernen? Welchen Stellenwert besitzt die gezielte Erweiterung der Mitarbeiter-Kompetenzen und welche Trends zeichnen sich ab? Im jährlich erscheindenden Hays-HR-Report zu wichtigen Themen der Personalführung wurden dieses Jahr in einer Online-Befragung 997 Unternehmen und Organisationen befragt.

Das Fazit der Untersuchung, an der zu 76 Prozent Entscheider in Unternehmen teilgenommen haben: Die Notwendigkeit zur fortlaufenden Entwicklung der Kompetenzen angesichts der sich beschleunigenden Digitalisierung wird in allen Unternehmen erkannt. Doch der Stellenwert des Themas und die gewählten Herangehensweisen unterscheiden sich sehr.

Besonders auffällig: Gerade die Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze ohne kontinuierliche Weiterbildung in Frage stehen, machen sich das Thema Kompetenzerweiterung nicht immer zur eigenen Sache. Stattdessen sehen sie die Unternehmen in der Verantwortung, entsprechende Angebote zur Verfügung zu stellen. Dabei ist die kontinuierliche Entwicklung und Aktualisierung ihrer eigenen Kompetenzen der Sicherungsanker für ihren Arbeitsplatz.

Umgekehrt verstehen die Führungskräfte Weiterbildung als eine Mitarbeiteraufgabe. Doch durch von der Geschäftsführung (35%) und von Vorgesetzen (25%) gemanagte Budgets halten sie die Hand auf das selbstbestimmte Lernen. So verfügen nur in 14 Prozent der Unternehmen die Mitarbeiter über ein eigenes Lernbudget. Die Studie empfiehlt dringend, Mitarbeitern neue Freiräume zum Ausbau ihrer Fähigkeiten zu gewähren.

Die Bereitschaft zur nebenberuflichen Weiterbildung und die Integration von Weiterbildungsangeboten in den Arbeitsalltag hängt natürlich nicht zuletzt von den angebotenen Lernformaten ab. Mit über 50 Prozent bestimmt zur Zeit noch das Präsenz-Lernen das Fortbildungsangebot. Es zeichnet sich jedoch ein Trend zu immer mehr Online-Angeboten und vielen neuen Lernangeboten ab. Dazu gehören das Blended Learning, die Kombination von digitalem Lernen und Präsenzformaten, das spielerische Lernen mit Gamification-Formaten sowie das digitale Lernen mit Webinaren und Lernvideos.

Innere Repräsentation dominiert Interaktion

18. September 2019

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Innere Repräsentation dominert Interaktion. Dieser Satz des holländischen NLP-Trainers Lucas Derks stellt unser Alltagsdenken über Ursache und Wirkungen im menschlichen Miteinander auf den Kopf. Nicht unser Handeln im Außen gibt den Ausschlag, sondern unsere innere Wirklichkeitskonstruktion bzw. Repräsentation der Wirklichkeit in Form von Gefühlen, Bildern, Klängen, Worten sowie Geschmack und Geruch. Welche praktische Bedeutung ergibt sich aus diesem Gedanken?

Wenn wir die Kommunikation mit unseren Mitmenschen verbessern wollen, arbeiten wir im Allgemeinen vor allem an unserer Sprache und unserem Verhalten. Durch diese äußeren Zeichen versuchen wir, einen gelungenen Austausch herzustellen. Was wir im Moment dieses Verhaltens fühlen und welche inneren Bilder und Gedanken uns dabei begleiten, steht nicht im Mittelpunkt. Aus der Sicht eines intrasystemisch NLP-Denkers wie Lucas Derks verwundert es daher wenig, wenn unsere äußeren Signale verpuffen, solange sie noch nicht im Einklang mit der inneren Repräsentation sind.

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben Streit mit einem Menschen. Weil Sie den Konflikt aus einem Bedürfnis nach Harmonie aus der Welt schaffen möchten, gehen Sie auf Ihren Streitpartner zu. Doch in Ihrem Inneren konkurriert das Bedürfnis nach Frieden mit dem Ärger über den Streitpartner. Ihre Interaktion wird aller Wahrscheinlichkeit nicht von Erfolg gekrönt sein. Denn der verärgerte Teil in Ihnen kommuniziert sich durch Körpersprache und Stimmqualität.

Was ist die Folge? Vielleicht ärgern Sie sich jetzt noch mehr über Ihren Streitpartner. Vielleicht bemühen Sie sich auch noch intensiver, mit Konfliktmanagement-Methoden bessere Wege zu finden. Dabei läge die praktischste Lösung sehr nah: Klären Sie Ihre Emotionen, Bilder und Bewertungen, indem Sie Ihre Perspektive, die Perspektive des Streitpartners und mögliche andere Perspektiven zum Geschehen durcharbeiten. Gute Lösungen beruhen auf einem Verständnis für die Gefühle, Bedürfnisse und positiven Absichten aller einschließlich der eigenen Person. Gute Lösungen lösen das eigene innere ungute Gefühl.

Die Quintessenz: Die Voraussetzungen für eine gelungene Interaktion liegen im Inneren. Verändert sich das Innere, zeigt sich der Wandel in der Außenwelt. Skeptiker fragen: Liegt jetzt nicht die ganze Verantwortung beim eigenen Ich? Die Antwort des systemischen Denkers lautet: Beim wem denn sonst? Nur das eigene Ich kann die Verantwortung für die eigenen inneren Repräsentationen und Interaktionen übernehmen. Aber das gilt natürlich auch für das Ich des Streitparters. Je bereitwilliger beide ihr Inneres klären, umso einfacher wird das Miteinander.

Coaching oder Therapie?

5. Juli 2019

10

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Coaching und Therapie? Wann ist Coaching und wann eher Psychotherapie angezeigt? Was sollten Klienten wissen, die in der einen oder anderen Form begleitet werden möchten? Und welche praxisorientierten Kriterien gibt es, um Therapie- von Coachingbedarf zu unterscheiden?

Natürlich lernen Coachs gleich zu Beginn ihrer Ausbildung, Coaching von Therapie zu abzugrenzen. Doch für ihre Klienten ist es oft nicht leicht, den Unterschied zu verstehen. Selbst in Unternehmen, die Coachingmaßnahmen für ihre Mitarbeiter organisieren, verschwimmen in der Wahrnehmung gelegentlich die trennenden Kriterien. Coaching wird dann als Business-Variante der Therapie missverstanden.

Was leistet Coaching? Coaching ist die Begleitung von Menschen beim Entwickeln eigener Lösungsideen für Probleme, Herausforderungen und Ziele. Die Maßnahme Coaching setzt daher Gesundheit bzw. die Fähigkeit des Klienten zur Eigenverantwortlichkeit und Selbstsregulation voraus. Im Abgrenzung dazu ist Psychotherapie eine Methode zur Heilung psychischer Krankheiten. Immer wenn die Begriffe Heilung und Krankheit ins Spiel kommt, sind Therapeuten, und nicht Coachs gefragt.

Heilberufe unterliegen, im Gegensatz zu Coaching, klaren gesetzlichen Maßstäben. Die Ausbildung und Berufstätigkeit von Mensch in Heilberufen sind in Deutschland in Bundes- und Landesgesetzen geregelt. Klare Regeln gibt es auch dafür, welche Zustände als krank gelten und in der Regel Heilungsbedarf nach sich ziehen. Weil physische und  psychische Krankheiten mit einer verminderten Selbstregulationsfähigkeit einhergehen, ist hier das Spezialwissen von Therapeuten gefragt. Denn aufgrund ihrer Ausbildung sind sie in der Lage, Chancen und Risiken der gewählten Maßnahmen einzuschätzen.

Daher gilt für Klienten wie für Coachs: Wenn eine Diagnose vorliegt, sollte der erste Weg zur Therapie führen. In der Praxis heißt das aber nicht, dass Therapie und Coaching sich ausschließen. Nach sorgfältiger Absprache können sich beide Maßnahmen ergänzen und in ihrer Wirkung potenzieren. Zwar arbeiten auch viele Therapeuten mit lösungs- und zukunftsorientierten Herangehensweisen. Viele Klienten schätzen aber am Coaching, dass sie durch die Ausrichtung an Zielen schnell besser mit ihrem alltäglichen Herausforderungen zurechtkommen.

Sowohl Coachs als Klient sollten sich in der Praxis immer darüber im Klaren sein, dass  die Abgrenzung von Krankheit und Gesundheit oft eine Einschätzungsfrage ist. Wenn der Coach allerdings feststellt, dass es dem Klienten nach zwei, drei Stunden nicht gelingt, Zielklarheit zu gewinnen, ist eine fachliche Abklärung gefragt. So mancher Prozess braucht natürlich Zeit. Aber auch der Klient, der sich für ein Coaching entscheidet, sollte nach Ablauf der ersten zwei, drei Coachings genau prüfen, ob er eine Tendenz zur Verbesserung spürt.

Coaching oder Therapie? Natürlich spielen auch die Finanzen eine Rolle, nachdem die gesundheitlichen Voraussetzungen sorgfältig abgeklärt worden sind. Coaching führt Menschen, die entsprechende Regulationsfähigkeit vorausgesetzt, in einer überschaubaren Anzahl von Sitzungen zum anfangs definierten Ziel. Therapien dauern in der Regel länger. Sie sind aber, im Gegensatz zu Coaching, mehrwertsteuerbefreit und werden von einigen Kassen übernommen oder unterstützt.

Führung wirkungsvoll verkörpern

26. April 2019

frau

Schon lange wissen wir, dass Führungsqualitäten sich nicht auf Intelligenz und Wissen reduzieren lassen. Doch kann die Art und Weise, in der wir sitzen und stehen, tatsächlich Einfluss auf die Führung nehmen? In Leadership Embodiment zeigt Wendy Palmer, wie der achtsame Umgang mit Körper und Raum helfen kann, um Präsenz auszustrahlen und Menschen zu erfolgreicher Zusammenarbeit anzuleiten.

In ihrer Methode stellt Palmer, Meisterin in der defensiven japanischen Kampfkunst Aikido, die Zentrierung in den Mittelpunkt. Denn wenn wir körperlich nicht ausgeglichen sind, kann auch der Geist nicht ausbalanciert sein. Den zentrierten Ich-Zustand unterscheidet Palmer vom Persönlichkeits-Ich, das auf Situationen nicht mit Wachheit, sondern mit den im Verlaufe des Lebens konditionierten Verhaltensmustern reagiert, erkennbar an physischer Asymmetrie.

Auch wenn der Verstand körperliche (A-)Symmetrie ausblenden kann, so reagieren doch Menschen im Miteinander unweigerlich auf die Körpersprache ihres Gegenübers. Zentrierung öffnet die Sinne und macht wach für alle Signale der Kommunikation, während Asymmetrie aufgrund ihres Konditionierungscharakters schlimmstenfalls „blind“, „taub“ und „gefühllos“ macht.

Leadership Embodiment nach Wendy Palmer trainiert daher die wache Präsenz beim Zuhören, Sprechen und Konzipieren des gemeinsamen Handlungsraums. In plastischen Bildern, entnommen aus der Welt des Aikido, zeigt Palmer, deren Buch bislang leider noch nicht ins Deutsche übersetzt worden ist, wie Führungspräsenz gezielt erzeugt und geübt werden kann.

Für NLP-Anwender ist Palmers Gedankengang nicht neu. Das (Selbst-)Kalibrieren der Körpersprache und das damit verbundene wache Kommunizieren mit allen Sinnen bildet die Basis aller NLP-Techniken. Auch das Embodiment-Konzept, im NLP ausgedrückt in der Vorannahme „Körper und Geist sind Teile desselben Systems“, gehört zum Grundstock der Methode. Doch Palmers Buch, ergänzt duch einen theoretischen Teil von Janet Crawford, bietet eine hervorragende Ergänzung, um sicher im eigenen Körper und klar im Raum zu führen.

Coaching als Denkpartnerschaft

15. November 2018

10

Mit Time to Think hat Nancy Kline, Trainerin und Coach aus den USA, bereits 2015 die Macht des unabhängigen Denkens hervorgehoben und Räume eingefordert, in denen freies Denken kultiviert werden kann. Marion Miketta, Trainerin und Coach aus Berlin, hat mit Thinking Environment nun einen Leitfaden veröffentlicht, der typische Anwendungskontexte aufzeigt. Besonders interessant für den Coach: Der Coachingraum als als Ort einer Denkpartnerschaft.

In unserer tool-getriebenen Zeit erinnert Miketta daran, dass Coaching sich als dienende Profession versteht. Der Kutscher bzw. Coach begreift sich als Steuermann eines Vehikels bzw. Denkprozesses, der den Klient zum Erreichen seiner selbstgesetzten Ziele führt. Mit seiner Haltung und seinen Methoden erschafft der Coach eine Atmosphäre außerhalb des Alltags, in der schöpferische Ideen wieder Platz finden können.

Die Aufgabe des Coachs ist daher nicht das Zuhören, um zu reagieren oder Tools anzuwenden. Stattdessen geht es um das Zuhören als gelebte Achtsamkeitspraxis. Die Präsenz des Coachs im Hier und Jetzt erlaubt es dem Klienten, vertrauensvoll dem eigenen Gedankenstrang zu folgen und diesen selbsttätig weiterzuentwickeln. Durch seinen Aufmerksamkeitsfokus auf den Klienten erschafft der Coach den Denkraum, den der Klient in anderen Kontexten oft vermisst.

Aber auch in einem Thinking Environment stellt der Coach aktiv Fragen, um seine Rolle als Denkpartner auszufüllen. Seine Fragen thematisieren vor allem die Annahmen des Klienten, die einer Lösung im Wege stehen. Leitgedanke des Coachs ist es, mit jedweder Frage Öffnung zu schaffen, anstatt kategorisierende und bewertende „Schubladen“ zu erzeugen. Für den systemischen NLP-Coach bietet das Coaching in Form des Denkzirkels daher sehr wertvoller Anregungen.

Ein großer Nachteil des Buches sollte jedoch auch nicht unerwähnt bleiben: Mit der offensiven Art, mitten im Fachtext auf ihre Seminare und Ausbildungen zu verweisen, erzeugt Marion Miketta einen faden Beigeschmack.

Der Coach als Modell für Führungskräfte

8. Oktober 2018

baum-gros

Es heißt, die Menschenführung sei eine Kunst. Die Kunst, Entwicklungsprozesse zu gestalten, können Führungskräfte, wie der Coach und Trainer Hans-Georg Huber zeigt, gezielt von Coachs erlernen. Denn die Erfolgsfaktoren in Coaching, Führung und Prozessbegleitung unterscheiden sich nur unwesentlich. Führungskräfte bewegen sich lediglich in einem anderen „Rollenkorridor“ als Trainer, Prozessbegleiter und Coachs.

Hubers Leistung sowohl für Führungskräfte als auch für Coachs: Er thematisiert nicht das Handwerkszeug, sondern die passende Haltung. Ihm geht es nicht um einen Handlungsleitfaden, sondern darum, die Wirkfaktoren unterhalb der sichtbaren Oberfläche hervorzuheben. Die eigene Persönlichkeit betrachtet Huber als die „Kernressource“ der Führung. Wer Menschen bewegen möchte, braucht zuallererst die innere Bereitschaft, sich auf andere und ihre Emotionen einzuschwingen. Auch ein vertieftes Verständnis für die Bedeutung der Körpersprache gehört für ihn dazu.

Als wichtigsten Erfolgsfaktor in der Menschenführung hebt Huber die persönliche Flexibilität hervor. Denn nicht sachlich vorgegebene Rahmen und Inhalte entscheiden über das Vorgehen. Vielmehr geht es in der Menschenführung darum, eine individuelle Prozessdynamik zu entwickeln, mit der die betroffenen Menschen in Resonanz gehen können. Denn nur so wird die Energie freigesetzt, die für Veränderungsprozesse nötig ist. Der Zugriff auf eine große Toolbox spielt erst in zweiter Linie eine Rolle.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Fähigkeit, die passende Veränderungstiefe anzusteuern. Schnelle, allerdings oft nicht nachhaltige Veränderungen lassen sich auf der bewussten Verstandesebene erzielen. Tiefgreifende Veränderungen erfolgen aber, wie Huber in Anlehnung an das Modell der Logischen Ebenen des NLP-Lehrers Robert Dilts betont, auf der vorbewussten Ebene der Haltung. Hier gilt es für Führungskräfte sowie Coachs, die Identität, die Werte und Glaubenssätze der Menschen zu erkennen und weiterzuentwickeln.

Nicht zuletzt kommt es sowohl für Führungskräfte als auch Coachs darauf an, lösungsorientiert vorzugehen. Leitbilder, Visionen und Ziele erzeugen eine positive „Spannung zwischen IST und SOLL“. Sie setzen damit die Motivation frei, auf die Menschen zur zukunftsorientierten Veränderung angewiesen sind.

Das Buch unterstützt natürlich nicht nur Führungskräften beim Modellieren von Coach-Qualitäten. Coachs und Prozessbegleiter lernen von Hans-Georg Huber insbesondere, wie sie die Kunst, Entwicklungsprozesse zu gestalten, bereits bei der Auftragsklärung bewusst zum Einsatz bringen können.

Immer noch defizitorientiertes Coaching

24. August 2018

3-personen

Coaching ist lösungsorientiert. Es lebt davon, Ziele anzustreben und neue Wirklichkeiten zu realisieren. Doch immer noch gibt es Organisationen, die sich bei der Entscheidung für Coaching von defizitorientierten Denkmodellen leiten lassen. Sie setzen es ein, um wieder Normalkurs herzustellen und Mängel zu kompensieren.

Zwar steht am Ausgangspunkt vieler Coachings ein Problem oder eine Herausforderung. Doch der Fokus der Methode liegt nicht auf der Problembeseitung, sondern der langfristigen Entwicklung neuer Zukunftsbilder, Ressourcen, Fähigkeiten und produktiver Strategien. So sehen es laut der jüngsten Xing Coaches & Trainer-Befragung unter Personalern offenbar auch viele Führungskräfte, die sich proaktiv coachen lassen. Denn mehrheitlich entscheiden sich aus eigener Motivation für das Coaching.

Dem gegenüber steht jedoch auch eine hohe Anzahl von Problemkandidaten-Coachings. Über 44 Prozent der in Organisationen Gecoachten zählen laut Studie zu den Kandidaten mit besonderem Bedarf. Hinzu kommt, dass das Thema Konfliktbewältigung als  zweitwichtigstes Coaching-Thema in Organisationen gilt. Coaching ist in beiden Fällen dann offensichtlich das noch verbleibende Mittel der Wahl. Umgekeht spiegeln die fast 30 Prozent der Personaler, die Coaching als nicht notwendig bewerten, damit offenbar den guten Zustand in ihrem Unternehmen.

Das defizitorientierte Verständnis von Coaching lebt also zulasten der innovativen, die Selbststeuerung stärkenden Persönlichkeits- und Teamentwicklung fort. Aus der Warte eines systemischen NLP-Coachs wird mit dieser Betrachtungsweise nicht nur der Kern der Coaching-Idee verfehlt: die Stärkung von Zukunftsorientierung, Lösungskompetenz und Eigenverantwortlichkeit. Es wir auch ein falscher Erwartungshorizont aufgebaut. Denn der Erfolgsmaßstab für ein defizitorientiertes Coaching orientiert sich an der Vergangenheit und/oder einem eigentlich fiktiven Normalzustand.

Aus systemischer Warte ist aber die das Coaching veranlassende Störung in der Regel ein Hinweis darauf, dass genau dieser Normalzustand selbst problematisch geworden ist. Vielleicht, weil sich Strukturen überlebt oder Anforderungen gewandelt haben, vielleicht aber auch, weil Führungsstrategien neben kurzfristigen auch mittel- und langfristige, nicht immer absehbare Folgen haben.

Coach und Klient geraten dann schnell in ein Dilemma, weil das Coaching aus der Warte der Auftraggeber nicht mehr ergebnisoffen ist. Ist der Coach sich dieser Situation und seiner Rolle in diesem Setting nicht bewusst, kann auch er in den Modus der Defizitbeseitigung verfallen und damit die Rolle des Coachees als Problemkandidaten stabilieren. Weder der Klient, noch seine Organisation haben dann langfristig gewonnen. Aber auch der Coach hat seine Rolle als Entwickler verfehlt und hinterlässt mit seinem Coaching keine zukunftsorientierten Spuren.

Typologien im systemischen Coaching?

3. Mai 2018

baum-gros

Typologien sind beliebt. Schnell liegt das zumeist elektronisch ermittelte Testergebnis auf dem Tisch und liefert uns ein plastisches Bild unserer Eigenschaften und Motive sowie unsere Stärken und Schwächen. Wir erkennen Verhaltensmuster und erschließen uns Zusammenhänge, für die uns vorher keine Sprache zur Verfügung stand. Durch die Typologie erhält unser Selbst eine erkennbare und damit für uns greifbarere Gestalt.

Doch passen Typologien ins systemische Coaching? Oder wirken sie wie fixe Diagnosen, auf die systemisches Coaching verzichten will? In der Tat entwickeln sich Typologien, die ja in erster Linie nur Muster aufzeigen wollen, unter der Hand zu Diagnosen, die ihre eigene Wirklichkeit kreieren. Denn die einer Typisierung folgenden Beobachtungen sind unbewusst auf deren Bestätigung ausgerichtet. Orientieren sich Klient und Coach an Typologien, erschaffen sie also schnell eine selbsterfüllende Prophezeiung. Informationen, die nicht in das Bild passen, blenden sie tendenziell aus.

Der systemische NLP-Coach dagegen arbeitet lieber mit flüssigen Hypothesen, die je nach Informationsstand flexibel angepasst werden können. Generell verzichtet er auf Arbeitsweisen und Methoden, die selbstbestätigend wirken können. Darüber hinaus vermeidet er es, dem Klienten ein statisches Bild seiner Persönlichkeit zu spiegeln. Aus diesem Grund stellen systemische Coachs auch mehr Fragen, als Aussagen über den Klienten zu formulieren.

Denn trotz einer möglicherweise sehr guten Aufklärung über den Stellenwert von Typologien fällt es dem Klienten in der Regel schwer, sich der Typisierung zu entziehen. Gerne setzt er sein Ich mit dem ermittelten Typ gleich, alle Vorzüge und Nachteile eingeschlossen: So bin ich halt! Dadurch fällt es dem systemischen NLP-Coach schwerer, beim Klienten Impulse für Veränderung und Wandel zu setzen und zu Schritten zur lösungsorientierten Gestaltung einer neuen Zukunft zu inspirieren.

Typologien können keine Abbildungen von Menschen liefern, so gut sie auch wissenschaftlich evaluiert sein mögen. Sie sind immer nur Generalisierungen bzw., in NLP-Sprache ausgedrückt, Modelle oder große Chunks, die bestimmte Qualitäten eines Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt hervorheben und dabei andere unter den Tisch fallen lassen. Sie vereinfachen im positiven wie im negativen Sinne.

Insofern liefern Typologien auch dem systemischen NLP-Coach mitunter Impulse und Ideen. Doch der Coach muss jederzeit zur präzisen, kleinchunkigen Beobachtung und zum relativierenden Widerspruch bereit sein. Denn letztlich geht es im systemischen Coaching vor allem um Selbstentdeckung und die Freude daran, eigenständig zu entscheiden, wer man sein will.

Wo Coaching anfängt und wo es aufhört

3. November 2017

mann-junger

Hört auf zu coachen! lautet der Appell der Persönlichkeitsentwicklerin und Coach-Ausbilderin Svenja Hofert. Ihr aktuelles Buch will vermitteln, wie man Menschen wirklich weiterbringt. In sechs Thesen fordert sie eine Abwendung von einem Coaching-Verständnis, das sich auf Handwerk und Tools fokussiert und dabei den Menschen aus dem Auge verliert.

Gutes Coaching, so Hofert, brauche keine Regeln und enge Definitionen, sondern in ihrer Persönlichkeit entwickelte Coachs, die sich auf die unterschiedlichen Entwicklungsebenen ihrer Klienten individuell einstellen können. Auf der Basis des Modells der Ich-Entwicklung nach Loevinger stellt sie ein flexibles Coaching-Modell vor und formuliert nützliche Grundregeln des Flexi-Coachings.

So weit, so gut. Doch wer vertritt das von Hofert kritisierte Coaching-Verständnis? Wer promotet Tools als Selbstzweck? Wer hält die Persönlichkeitsentwicklung von Coachs für entbehrlich? Und wer engt Coaching durch definitorische Abgrenzungen zum Nachteil des Coachings ein? Liest man Hoferts  persönliche Beispiele und Erfahrungen, gehören alle etablierten Coaching-Richtungen in Deutschland dazu.

Eigentlich ist es Hoferts erklärtes Programm, den Falsch-Richtig-Modus zu überwinden, um schließlich in den von ihr geforderten flexiblen Modus zu kommen. Doch die Gesetze des Marketings, das gerne mit Polarisierungen arbeitet, scheinen stärker zu sein. Ironischerweise löst Hofert auf diesem Weg ihre Forderung: Hört auf zu coachen! perfekt ein. Wenn Coaching durch die Definition als professionelles Helfen begrifflich entgrenzt wird, ist eigentlich jede professionelle Hilfe Coaching – oder auch nicht.

%d Bloggern gefällt das: