Posts Tagged ‘Stress’

Traumatisierungen erkennen

28. Januar 2022

Ja, genau: Die Behandlung tiefgreifender Traumatisierungen gehört in die Hände von Therapeuten, und nicht in die von Coachs. Doch das Buch der Traumatherapeutin Verena König sollte Eingang in den einen oder anderen Coach-Bücherschrank finden. Denn in großer Anschaulichkeit Verena König das menschliche Nervensystem dar und zeigt einfühlsam, welche Folgen sowohl aus Schocktraumata als auch aus Entwicklungstraumata resultieren.

Irritierend ist nur der Titel: „Bin ich traumatisiert?“ Denn er suggeriert, eine Art Leitfaden zur Selbstdiagnose von Traumata vorzufinden. Es steht in Frage, ob ein Buch Antwort darauf gehen kann. Wenn es sich bei Traumafolgen der Definition Königs nach um Symptome handelt, die in ihrem Ursprung normale Reaktionen des Nervensystems auf als unnormal erlebte Geschehnisse sind, dann gehören in gewisser Weise Traumata unterschiedlichen Grades zu unser aller Leben dazu.

Aber genau dieser Umstand macht das Buch spannend für den Coach. Verena König schildert die Arbeitsweise des Nervensystems und dessen Umgang mit Stress, reguliert durch das vegetative Nervensystem. Eine Übererregung aktiviert den Sympathikusnerv und bringt Kampf oder Flucht sowie eine Daueralarmiertheit hervor. Eine Untererregung wirkt auf den Vagusnerv und führt zu Immobilität und emotionaler Taubheit sowie Dissoziiertheit.

Diese Dissoziiertheit ist ein Zustand, in dem sich die Wahrnehmung in Erinnerungselemente aufspaltet und dadurch das Verarbeiten des Erlebten verhindert. Was aber nicht verarbeitet werden kann, wirkt als Trigger weiter und flutet das Bewusstsein der Betroffenen, ohne dass sie durch den Einsatz des Verstandes dagegen angehen können. Denn mit Hilfe des Modells vom dreieinigen Gehirn mit Stammhirn, Limbischem System und Neocortex zeigt König, wieso die Fähigkeit zum komplexes Denken bei traumatischen Symptomen nicht greift.

In einer solchen Situation können selbstverständlich kognitiv orientierte Methoden wenig ausrichten. Vielmehr ist es wichtig, beim Limbischen System anzusetzen und Traumaenergien Schritt für Schritt aufzulösen. König nennt als Beispiele für solche Methoden EMDR (den Coachs aus der Methodenkombi wingwave bekannt), Hynotherapie, Somatic Experiencing sowie weitere vor allem körperorientierte Verfahren. Auch Yoga zählt zu den bewährten Therapien.

Das Buch unterstützt Coachs dabei, die vielgestaltigen Stress-Reaktionen und Alltagstraumatisierungen ihrer Klienten besser einordnen zu können und die passenden Methoden zur Stressbalance auszuwählen. Es spiegelt aber auch sehr deutlich, dass tiefgreifende Traumata in die Verantwortung von dazu ausgebildeten Spezialisten gehören.

Coaching mit dem Nervensystem

8. Januar 2020

frau

Coaching mit dem Nervensystem? Die Therapeutin Deb Dana zeigt in ihrem Buch Die Polyvagaltheorie in der Therapie, wie man Menschen dazu anleiten kann, alte Stressreaktionen ihres Autonomen Nervensystems zu erkennen und Zug um Zug aufzulösen. Der wichtigste Schritt dazu ist das Wahrnehmen der eigenen individuellen Konditionierungsmuster und das daran anschließende Erproben und Vertiefen ressourcevoller Strategien.

Wie funktioniert das Nervensystem bzw. wofür steht die Polyvagaltheorie?

Das Wechselspiel unseres vegetativen Nervensystems zwischen einem aktivierenden Sympathicus-Nerv und einem beruhigenden Vagus-Nerv ist schon lange bekannt. Der Psychiater Stephen Porges hat die Sicht auf dieses Wechselspiel mit der Polyvagaltheorie differenziert und gezeigt, dass nicht allein der anregende Sympathicus ein Gegenspieler des beruhigenden, entspannenden Vagus-Nervs ist. Auch ein Ast des vielfältigen Vagalsystems steht der Entspannung im Weg.

Porges unterscheidet nämlich zwischen dem vorderen und hinteren Vagus. Wirkt der vordere Vagus entspannend und öffnend für Kontaktaufbau sowie gute Kommunikation, verursacht der hintere Vagus eine Art Starre oder „Todstell-Reflex“. Höhere Hirnfunktionen sind durch diese Starre nur noch eingeschränkt verfügbar. Schwierige oder sogar traumatische Erlebnisse führen dazu, dass Menschen entweder sympathische Reaktionen wie Kampf oder Flucht oder parasympathische Reaktionen wie „Dichtmachen“ in ihrem Nervensystem speichern und konditioniert ablaufen lassen, auch wenn ihre Sicherheit in keinster Weise gefährdet ist. Die Klienten formulieren dann: „Mit dem Verstand komme ich diesem Thema nicht bei.“

Wie sieht die Arbeit mit dem Nervensystem in der coachenden Praxis aus?

Der zentrale Schritt zum Aufbau eines wieder stärker belastbaren Nervensystems, das Wahrnehmen und Flexibilisieren der eigenen individuellen Konditionierungsmuster, wurde bereits einleitend benannt. Um diese Form der Selbstbeobachtung zu ermöglichen, bietet der Coach seinem Klienten einen geschützen Raum, der in die Entspannung und Offenheit des forderen Vagus führt. Der Coach schafft also optimale Bedingungen für vertrauensvolle Kommunikation und ein waches Verarbeitung von Informationen.

Im Verlaufe eines solchen Coachings lösen sich so sowohl Rückzug, Tatenlosigkeit und geistige Starre als auch aggressive Angriffslust oder Tendenzen zur spontanen Fluchtreaktionen langsam auf. Der Klient lernt, Wahlen zu treffen und immer öfter mit dem Verhaltensrepertoire des vorderen Vagus zu reagieren. Er erkundet seine Trigger für unproduktive Reaktionen und erarbeitet sich vielfältige Alternativen. Sein Vertrauen in sich selbst und auch in sein Umfeld kann wachsen und sich stabilisieren.

Sollte die Arbeit mit dem Nervensystem nicht dem Therapeuten vorbehalten bleiben?

In der Tat hat sich die Arbeit mit dem Nervensystem insbesondere bei der Behandlung traumatisierter Menschen bewährt. Doch auch gesunde Menschen, die sich für ein Coaching anstelle einer Therapie entscheiden, können von diesem Ansatz profitieren. Insbesondere der allgegenwärtige Stress katapultiert viele Menschen immer wieder in unproduktive Antworten ihres Nervensystems. In einem Coaching können sie erkennen, dass ihnen vielfältige Alternativen zur Verfügung stehen.

In welcher Beziehung stehen systemisches NLP-Coaching und Coaching mit dem Nervensystem?

Das Coaching auf Basis der Polyvagaltheorie ist entwicklungsgeschichtlich nicht mit NLP verbunden. Der NLP-Anwender erkennt jedoch überraschende Parallelen. Das im NLP vermittelte Wissen um Körpersprache und Rapport sowie die Dynamik von gutem Pacen als Voraussetzung für das Leaden erschafft genau den sicheren Raum, der für die Arbeit mit dem Nervensystem wichtig ist. Auch das achtsame Wahrnehmen der Sinneseindrücke und das Erkennen sowie Verändern konditionierter Strategien gehören zum klassischen Repertoire des NLP. Die Polyvagaltheorie verdeutlicht dem NLP-Anwender, warum diese Herangehensweisen so produktiv wirken. Weshalb nicht auch Ideen aus der Arbeit mit dem Nervensystem ins klassische Coaching integrieren? Deb Danas Buch bietet zahlreiche praktische Anregungen dafür.

Körperliche Symptome entschlüsseln

11. Mai 2012

Körperliche Symptome und Krankheiten empfinden wir zunächst als einschränkend und deuten sie als Störfaktoren auf dem Weg zu unserer persönlichen Zufriedenheit. Bei näherer Betrachtung erweisen sie sich jedoch als wichtige Informationsquelle für Themen, die zur Lösung anstehen.

In Mein Körper erinnert sich zeigt die Aufstellerin Kristine Alex, wie man mit Symptomaustellungen Gefühle sprechen lassen kann. Sie liefert umfangreiche Beispiele für die kreative Sprache des Körpers, die sich in organischen Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Bluthochdruck oder Tinnitus, aber auch seelisch-körperlichen Symptomen wie Erschöpfung oder Stress, ausdrückt.

Aufstellungen verdeutlichen, welche Persönlichkeitsanteile an der Erzeugung eines Symptoms beteiligt sind. Sie helfen außerdem, die Botschaft der Symptome in eine für uns verständliche Sprache zu überführen. Denn erst wenn wir diese verstehen, bahnt sich eine Lösung an.

Kristine Alex´ Buch führt einfach und transparent in den Ablauf einer Aufstellung ein. Das Buch ist dennoch kein Leitfaden für Aufsteller, sondern vielmehr ein Lesebuch für alle, die sich anhand konkreter Fallbeispiele in die Sprache des Körpers einlesen wollen. Und vielleicht auch Anregung, das eine oder andere eigene Symptom zu entschlüsseln.

Lebensrollen in Balance bringen

1. Dezember 2011

Burnout – scheinbar das Wort des Jahres 2011. Und egal, ob es sich dabei um eine „Mode-“ oder „Ausweichsdiagnose“ handelt. Die Begeisterung der Öffentlichkeit für diesen Begriff zeigt, dass das Phänomen des Ausgebranntseins und der außerordentlichen Erschöpfung uns allen nicht unbekannt ist.

Was können Sie für sich tun, um Ihr Leben auszubalancieren? Um ein Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung zu erzielen? Ein einfacher Weg des Ausgleichs ist das Austarieren von Lebensrollen.

Work-Life-Balance, das Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben, liefert hierzu ein wichtiges Stichwort. Eine Ausgewogenheit der Lebensrollen erfordert allerdings ein feiner differenziertes Konzept – denn ausbrennen können Menschen auch privat.

Im Wesentlichen gilt es, drei Lebensrollen in ein persönliches Gleichgewicht zu bringen. Jeder Mensch braucht Raum für sein „Ich“, ein Mit-sich-selbst-sein ohne Anforderungen und Pflichten.  Jeder Mensch braucht auch Zeit für partnerschaftliche Beziehung. Und jeder Mensch braucht Lebensbezüge, in denen er leistet und Verantwortung übernimmt.

Wann immer Sie merken, dass eine dieser Rollen die anderen zu verdrängen droht, ist Ihre innere Balance in Gefahr. Am besten handeln Sie gleich und tarieren Ihre Lebensrollen neu aus.

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