Archive for the 'Führungskraft & Führungskräftekommunikation' Category

Raus aus dem Führungs-Kampf

22. November 2023

Mehr Leichtigkeit im Führungsalltag verspricht der Trainer und Coach Michael Jahn mit seinem Buch Wahre Führungskraft. Zu diesem Zweck identiziert er zehn typische Kämpfe, in die sich Führungskräften in ihrem Alltag involvieren, vom Kampf mit der eigenen Organisation über den Kampf mit der Zeit bis zum Kampf mit dem Privatleben sowie mit dem Feind im eigenen Kopf. Die Überschrift seines Vorworts fasst den wichtigsten Schritt zur wahren Führungskraft zusammen: Raus aus diesem Kampf! Doch wie soll das gehen?

Für Jahn ist es die eigene Einstellung, die den Unterschied macht. Wer sich für das Führen entscheidet, weil er Menschen und Kommunikation liebt, ist bestens aufgestellt. Wer jedoch eigentlich als Experte agieren will, empfindet Führen womöglich als immerwährende Auseinandersetzung. Wer akzepiert, dass Führen grundsätzlich vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen stattfindet, kann mit den Engpässen des Alltags kreativ umgehen. Wer jedoch auf eine Organisation ohne begrenzende Faktoren hofft, der hat schon verloren.

Und so geht es weiter durch die verschiedenen Kampfgebiete, zu denen zum Beispiel auch der Umgang mit unkooperativen Chefs und Mitarbeitenden sowie der eigene Anspruch an Souveränität und Perfektion gehören. Michael Jahns zentrales Rezept: Klarheit, Gelassenheit und Offenheit. Mit einer entspannten Haltung, einer guten Portion Vertrauen in das Leben und einem Gespür für gute Kommunikation wird Führung vom Kampf zu einem herausfordernden Spiel. Und ein Spiel soll sie am Ende auch bleiben. Denn der Job als Führungskraft ist nur ein Teil des Lebens, nicht das Leben schlechthin.

Jahns Leistung: Ein ausgesprochen realistisches Buch, das keine Wunder verspricht, sondern vielmehr uneinlösbare Ansprüche jedes Einzelnen an die Führungstätigkeit enttarnt. Ausdruck guter Führung ist eben die Fähigkeit, sich selbst zu führen.

Vom Leader zum Heiler?

5. Oktober 2023

Ist der „Leader As Healer“ das neue Paradigma der Führung im einundzwanzigsten Jahrhundert? Der Business Trainer und Coach sowie ehemalige Theaterdirektor Nicholas Janni fordert von Führungskräften, die verloren gegangene Einheit zwischen zwischen Mensch und Natur, zwischen Denken und Fühlen sowie rationalen und empathischen Sichtweisen durch gezielte Führung wiederherzustellen: „The times call us urgently to correct the normalization of chronically imbalanced ways of thinking and functioning.“

Sein Ziel: Eine Wiederankoppelung des rationalen Menschen an seine körperlichen, emotionalen und transpersonalen Aspekte: „We relocate from the identiy of ´I as a thinker´ to ´I as Presence who thinks, feels and senses.´“ Wichtigestes Werkzeug in diesem Prozess ist für Janni die Wahrnehmung, sodass Meditation und Achtsamkeits- sowie Embodiment-Übungen im Mittelpunkt seiner Praxisempfehlungen stehen.

Aber auch die Werteorientierung der Führung, der angestrebte Purpose, sind für ihn von entscheidender Bedeutung. Welchem Zweck dient das eigene Führungshandeln und inwiefern zahlt dieses Handeln auf das Wohl der Gemeinschaft ein? Janni plädiert für eine holistische Sicht auf Wirtschaftsprozesse und reiht sich damit in die Riege der integralen Wirtschaftsdenker nach Laloux ein.

Sicherlich ist es an der Zeit, den von Janni geforderten mentalen Wandel in der Welt einzuläuten und als Führungskraft die nötige Transformation durch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu stützen. Doch die Heilung eines Paradigmas, das seit über fünfhundert Jahren prägend für unser Denken ist, kann nur gesamtgesellschaftlich gelingen. Führung braucht überdies mehr als nur Führungspersönlichkeit. Erfolgreich können neue Führungskräfte nur sein, wenn es ein systemisches Wechselspiel zwischen Führungsstil sowie Strukturen und Prozessen in einer Organisation gibt.

Alles in allem spricht das Buch wichtige Themen an und kann Führungskräften als wertvolle Inspiration und praktische Anregung im Führungsalltag dienen. Doch Jannis Idee von der Führungskraft als Heiler überhöht die Rolle des meditierenden Leaders und verstellt den Blick auf die Komplexität des notwendigen Wandels.

Gut orientiert mit der Führungslandkarte

6. September 2023

Insbesondere Newcomer in der Führung suchen nach Orientierung, um in die neue Rolle schnell hineinzuwachsen und der Komplexität der Führungsaufgaben jenseits von Modetrends gerecht zu werden. Für systemisch interessierte Führungskräfte gibt es einen hervorragenden Leitfaden, der durch den „Dschungel der Führung“ lotst: die Führungslandkarte bzw. Leadership Map von Ruth Seliger. Sie versteht sich als Navigationssystem durch die vielfältigen Herausforderungen, vor denen Führungskräfte stehen.

Die Leadership Map, dargestellt in der Form eines Dreiecks, markiert drei zentrale Pole des Führens: Einer dieser Pole ist die Führungs-Praxis, die traditionell in der Führungsdiskussion im Mittelpunkt steht. Sie gliedert sich wiederum in die drei Pole Selbstführung, Menschenführung und Organisationsführung auf. Sich selbst führen bedeutet, fähig zur steten Selbstreflexion und Selbstorganisation zu sein. Auf der Grundlage guter Selbstführung entwickelt sich auch die Fähigkeit, Menschen mittels Kommunikation so zu führen, dass sie sich an die Organisation mit ihren Zielen gebunden fühlen. Die Organisation führen wiederum bedeutet, Entscheidungen zu treffen, vor deren Hintergrund sie sich zukunftsgerecht entwickeln kann. 

Den zweite Pol der Führung markiert das Führen als Profession. Professionalität, so Ruth Seliger, beschreibt die Qualitätsstandards dieses Berufs. Dazu gehört zuallererst Wissen bzw. Theorie, denn Theorie beantwortet die Frage „Warum mache ich das?“. Auf dieser Basis fällt es auch leichter, Rollenklarheit als zweitem Aspekt der Professionalität zu gewinnen. Sie gibt eine Antwort auf die Frage „Wer bin ich hier? Was soll bzw. was darf ich tun?„. Zur Professionalität gehören natürlich auch Instrumente wie zum Beispiel Mitarbeitergespräche oder andere kommunikative Tools zur Mitarbeiterführung. Sie beantworten die Frage „Wie mache ich es?“.

Der dritte Pol beschreibt die Führung als Prozess und klärt, mit welchen aufeinanderfolgenden Schritten Führung langfristig erfolgreich sein kann. Denn Führung in komplexen Systemen bedeutet, trotz stetigem Wandel und wechselnden Herausforderungen auf Kurs zu bleiben und Ziele zu erreichen. Die drei Pole Wachsamkeit, Wertschätzung und Wirksamkeit markieren für Ruth Seliger die zentralen Aspekte dieser Aufgabe. Wachsamkeit bezeichnet die konzentrierte Aufmerksamkeit, mit der Führungskräfte die Lage wahrnehmen und einschätzen. Wertschätzung beschreibt die Fähigkeit, Ressourcen im System zu erkennen. Wirksamkeit besteht im Mut zu handeln und Veränderungen im gewünschten Sinne vorzunehmen.

Was steht im Zentrum der drei Dreicke, die zusammen die Führungslandkarte bilden? Im Sinne der von Ruth Seliger vertretenen Positiven Führung sind es die Prinzipien Freude, Stärke und Sinn. Denn ohne diese drei Pole wird es langfristig nur unter Mühen und nicht zuletzt mit Druck gelingen, Menschen für die Ziele der Organisation zu mobilisieren und zu binden.

Positiv oder negativ führen?

25. August 2023

Vor die Wahl gestellt, positiv oder negativ zu führen, würden sich wohl die meisten spontan für das positive Führen entscheiden. Doch was genau bedeutet es, positiv zu führen? Und weshalb ist diese Art des Führens mehr als ein verbaler Hype?

Positive Führung bezeichnet im engeren Sinne eine Führung, die sich an den Forschungsergebnissen der Positiven Psychologie ausrichtet. Die Positive Psychologie erkundet, auf welchen Bedingungen menschliche Gesundheit, Glück und psychologische Widerstandsfähgkeit beruhen. Positives Führen zielt darauf, diese Bedingungen auch im Arbeitsumfeld zu kultivieren. Das ist nicht selbstverständlich, denn noch immer ist in einigen Unternehmen Narzissmus ein Karriere-Erfolgsfaktor.

Zwei wesentliche Aspekte des positiven Führens zielen auf die Lösungs- und Ressourcenorientierung. Anstelle Probleme und Defizite zu anaylsieren und kommunikativ in den Mittelpunkt zu stellen, fokussiert die positive Führung auf kreative Zukunftsideen und das Stärken von Stärken. Wird traditionell oft versucht, Mitarbeitende durch extrinsische Faktoren zu motivieren und zugleich Fehlleistungen kulturell abzustrafen, zielt die positive Führung auf das Entwickeln einer intrinsischen Hin-zu-Motivation, begleitet von der Wertschätzung für positive Emotionen wie Freude oder Spaß. Positive Führung thematisiert nicht zuletzt auch die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit im Rahmen einer Organisation.

Wer sich bereits mit dem systemischen Führen befasst hat, dem fällt auf, dass die geistige Haltung des Positiven Führens in die gleiche Richtung weist. Das Positive Führen ist daher inzwischen zu einer Art Oberbegriff für Führungsansätze geworden, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Beispielhaft seinen hier das Transformative Führen, das Dienende Führen und New Work sowie das Führen zur Selbstorganisation mit agilen, coachenden und moderierenden Methoden genannt.

Positive Führung bezieht sich nicht nur auf das Verhalten von Führungskräften gegenüber Einzelnen und Teams. Im besten Falle umfasst das Positive Führen die Ausrichtung einer ganzen Organisationkultur. Denn die erwähnten narzisstischen Persönlichkeiten können ja schließlich nur erfolgreich sein, wenn die Organisation sie unterstützt. Zum Positiven Führen gehört aber auch die persönliche Reife der Führungskräfte, die bei ihrer Tätigkeit auf Empathie und eine hohe Kommunikationskompetenz angewiesen sind.

Gehirngerechter führen?

2. Juni 2023

Mit Flow @ Work, möchte die Neuro-Bestseller-Autorin Friederike Fabritius zeigen, wie Gehirn-Know-how auch für die Führung fruchtbar gemacht werden kann: „Wer versteht, wie unterschiedliche Gehirne ticken, ist auf dem besten Weg, eine lebendige und vor allem erfolgreiche Arbeitskultur zu gestalten.“ Das vielleicht ja gar nicht so überraschende Ergebnis: Bekannte Modelle bewähren sich auch unter Neuro-Vorzeichen. Denn die von Fabritius vorgestellte Neuro-Signatur erweist sich als Anreicherung klassischer Typologien mit Neurotransmitter- und Hormon-Know-how.

Sie unterscheidet vier verschiedene Motivations-Typen auf der Basis ihrer neurologischen Anlage: Menschen mit einer dopaminlastigen Neuro-Signatur sind kreativ und lieben den Nervenkitzel. Serotonin-gesteuerte Menschen dagegen bevorzugen Stabilität und Struktur. Testosteron-Gesteuerte sind mutig und entscheidungsfreudig, während die Neuro-Signatur Östrogen vor allem auf Kooperation und Kommunikation setzt. Diese Beschreibungen sind für jede Typologie-Kundigen natürlich nicht neu, genausowenig wir ihr Plädoyer für die Führung: Respekt vor den unterschiedlichen Qualitäten jeder Neuro-Signatur und eine Führungskultur der neuronalen Diversität.

Doch mit einem Argument setzt sie einen neuen Fokus in der Diversitäts-Diskussion: Baut man auf äußere Diversitätsmerkmale wie Geschlecht oder Hautfarbe, sorgt das nicht automatisch für die Diversität der Denkstile. Denn meist unbewusste klassische Selektionskriterien sorgen trotz formaler Diversität für einseitige mentale Präferenzen in Teams. Phänomene wie das Gruppendenken tragen außerdem dazu bei, in Austauschprozessen die Vielfalt der Argumente einzuschränken. Aber braucht es zur Lösung vor allem Neuro-Know-how?

Mit ihren Argumenten reduziert Fabritius Führung auf eine Frage der biologischen Ausgewogenheit. Dabei lautet die eigentliche Frage doch, welcher Sinn und welche Werte in Organisationen und Gesellschaften gelebt werden wollen und welche Strukturen und Arbeitskulturen diesen Zwecken dienen. Neurobiologisch ausgewogen zusammengestellte Teams kommen vielleicht leichter zu reflektierten und erfolgreichen Lösungen. Doch die eigentliche Aufgabe von Führung wird damit nicht gelöst. Fabritius füllt diese Lücken mit Tipps zur Lebensführung und Ernährung, die wir bereits aus anderen Kontexten kennen. Was bleibt ist der Appell, Führung menschengerecht und individuell zu gestalten.

Wieder mehr Präsenz-Coaching

23. Mai 2023

Wie steht der Coaching-Markt nach drei Ausnahmejahren da? Welche Trends zeichnen sich ab, und welche wirtschaftlichen Perspektiven lassen sich erkennen? Die RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023, für die die Angaben von 755 deutschen Coachs ausgewertet wurden, lässt eine leichte Erholung des Coachings-Markts erkennen. Außerdem wurde das Online-Coaching, das im Verlaufe der Pandemie zum beliebtesten Coaching-Format avanciert war, vom Präsenz-Coaching eingeholt. 53,03 % aller Coachings finden jetzt wieder im gemeinsamen Raum statt.

Die an der Studie beteiligten Coachs waren zum Studienzeitpunkt durchschnittlich 52 Jahre alt. 89 % von ihnen verfügen über eine akademische Bildung, 9,15 % zusätzlich über eine Promotion. Neben ihrer Coaching-Erfahrung haben viele Coachs langjährige Führungserfahrung. Das entspricht ihren Kernzielgruppen, die vor allem im Top-Management und im mittleren Management zu finden sind. Das mittlere Management insgesamt steigerte von 2022 bis 2023 seinen Anteil an Coachings um immerhin 4,54 %. Das mittlere Management in Großunternehmen stellte mit 13,38 % neben dem Top-Management der KMU (10,71 %) die größten Anteile von Zielgruppen am Coaching-Markt.

Die berufliche Haupttätigkeit von Coachs liegt klar beim Coaching. Coachs verteilten im vergangenen Jahr 42,94 % ihrer Zeit auf das Coaching. Die übrige Zeit waren sie tätig im Training (14,11 %) sowie in weiteren Dienstleistungen wie Organisationsentwicklung, Unternehmensberatung und Personalentwicklung. Das Einkommen stieg im vergangenen Jahr wieder um 6,47 % an, nachdem pandemiebedingt ein Einbrechen zu verzeichnen gewesen war. Das Honorar bewegte sich im Untersuchungszeitraum durchschnittlich in der Höhe von EUR 166,13, während Coachs 2020 noch EUR 177,60 einfordern konnten.

Der durchschnittliche Coaching-Klient war im vergangenen Jahr zwischen 45 und 49 Jahren alt und mehrheitlich weiblich. Mehrheitlich hatten die Coachings im Untersuchungszeitraum eine Länge von 6 bis 10 Stunden (30,54 %), gefolgt von Coachings im Umfang von 11-15 Stunden (18,74 %). Die meisten Coachings werden von Unternehmen finanziert. Nur 9,25 % aller Coachings sind Privatcoachings.

Das klassische Coaching-Format ist mit 44,18 % immer noch das Einzel-Coachings. Doch die während der Pandemie zu verzeichnende Tendenz zum Teamcoaching konnte sich stabilisieren. 22,45 % aller Coaching-Varianten sind Teamcoachings. Die bereits im Vorjahr zu verzeichnende Tendenz zum Konfliktcoaching hat sich 2023 noch verstärkt. Hierfür könnten verschleppte Konflikte ebenso wie die Besonderheiten der Remote-Arbeit verantwortlich sein.

Rollenwechsel in der Führung

13. März 2023

„Situativ und verantwortungsvoll führen“ lautet der Untertitel zu Regina Mahlmanns Buch zum gezielten Einsatz von Führungsstilen und -Methoden. Und damit markiert die Trainerin und Beraterin von Führungskräften bereits, welche Führungsqualitäten für sie im Vordergrund stehen. Gute Führung sollte sich immer flexibel an den individuellen Umständen, vor allem an den persönlichen Möglichkeiten der Mitarbeitenden orientieren. Nicht der optimale Führungsstil, sondern der bewusste Umgang mit der Verantwortung für die Geführten steht für sie im Mittelpunkt.

Regina Mahlmann bietet einen guten Überblick für alle, die sich in der Welt der Führung jenseits von Moden und Trends zurechtfinden wollen. Sie kreist sechs verschiedene Führungsstile ein, von denen sie die ersten vier, das Autoritäre Führen, das Kooperative Führen, das Situative Führen und das Laisser-faire-Führen, als Klassiker markiert. Denn alle vier klassischen Führungsstile sind nach wie vor im Gebrauch.

Im Verlaufe der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der klassische Kanon dann durch das Systemische und das Symbolische Führen ergänzt. Mit diesen Schritten traten aber nicht nur weitere gleichberechigte Stile des Führens in die Welt. Insbesondere das Systemische Führen hat bewirkt, dass wir die Rolle der Führungskraft heute in einem radikal neuen Licht interpretieren können.

Während bei den klassischen Stilen Führen bedeutet, von außen Einfluss auf die Mitarbeitenden zu nehmen, ist im systemischen Denken die Führungskraft zugleich Mitglied des von ihr zu führenden Systems. Regina Mahlmann: „Im systemischen Szenarium ist die Führungskraft drinnen, ein Teil des systemischen Zusammenhangs und des Zusammenspiels seiner Komponenten. Sie wirkt und bewirkt. Sie beeinflusst und wird beeinflusst.“

Zwar löst das Systemische Führen nicht automatisch die Über- und Unterordnung von Führungkraft und Mitarbeitenden auf, relativiert sie jedoch in der Absolutheit, wie wir sie aus den klassischen Führungsstilen kennen. Die Führungskraft wird für Mitarbeitende mehr und mehr zum Modell, das nicht zuletzt durch vorbildliches Handeln führt. Mit diesem Schritt setzt die Entwicklung einer vollständig neuen Führungsidee ein. Denn wenn Führende als Teile des Systems modellhaft wirken, dann erweitert sich der Raum für die (Selbst-)Führung der Mitarbeitenden.

Führung wird relativ. Sie löst sich von der Position des Führenden hin zu seiner Person. Parallel dazu treten auch die Mitarbeitenden als Menschen in den Vordergrund, die es durch sensible Führung zu entwickeln gilt. Systemisch führenden Führungskräften kommt so mehr und mehr die Aufgabe zu, die Mitarbeitenden zur (Selbst-)Führung zu befähigen. Das entwicklungsorientierte, coachende Führen löst diesen Anspruch am besten ein.

Konsequent zu Ende gedacht, kann sich Führung schließlich auch von der Idee der hierarischen Über- und Unterordnung lösen. So hat sich inzwischen aus dem systemischen Gedanken das noch radikalere Konzept der Selbstführung bzw. Selbstorganisation ganzer Unternehmen entwickelt. Führung wird im komplett selbstorganisatorischen Rahmen zu einer Dienstleistung, die fallbezogen zwischen Personen wechseln kann.

Vielleicht wider Erwarten erledigt sie sich dadurch nicht selbst, sondern wechselt nur den Fokus. Denn eine systemische Führungskraft ist nicht mehr, wie in den klassischen Stilen, übergeordneter Prozesssteuerer und inhaltlicher Experte, sondern vielmehr Menschenentwicklerin und entwicklungsorientierte Kommunikatorin.

Führungskräfte empfehlen das Führen mit Coaching-Methoden

6. Dezember 2022

Im Herbst ist die 2. Quadriga Coaching Studie 2022 mit dem Fokus Managerial Coaching erschienen. Sie untersucht auf der Basis von 3.153 Antworten aus deutschen Führungskräfte-Kreisen kleiner, mittlerer und großer Unternehmen, welchen Stellenwert das entwicklungsorientierte Führen mit Coaching-Methoden im bundesdeutschen Organisationsalltag besitzt. Die Quintessenz des Studienautors und Executive Directors am Institut für Coaching und Leadership (ICL) der Quadriga Hochschule, David Nitschke: „Der Einsatz von Coaching-Techniken in der Führung besitzt so viel Potenzial, dass wir es uns in Zukunft nicht mehr leisten können, diese Techniken und die dazugehörigen Haltungen im Rahmen der Führungskräfteentwicklung nicht zu trainieren und zu vermitteln.“

Dass selbst die Pandemie den Stellenwert des Personalentwicklungsinstruments Coaching nicht mindern konnte, haben bereits mehrere Studien gezeigt. Auch die Zahlen der Quadriga Coaching Studie 2022 verweisen darauf. Denn 38 Prozent der befragten Personaler unter den teilnehmenden Führungskräften nutzen ihrer Angabe nach Coaching durch interne und externe Partner stark. Aber weniger bekannt ist, dass auch die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden immer häufiger coachen. 37 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, Coaching gelegentlich einzusetzen, immerhin fünf Prozent sprechen von einer ständigen Nutzung.

Die vieldiskutierte Schwierigkeit, die Rolle der Führungskraft mit der auf Neutralität verpflichteten Rolle des professionellen Coachs zu vereinbaren, stellt sich für die meisten Führungskräfte nicht. 58 Prozent der Befragten sehen nur wenig oder gar kein Potenzial für einen Rollenkonflikt. Denn es geht ihnen vor allem um die Methoden, Techniken und inneren Haltungen, die sie vom Coaching übernehmen können. Fragen, Gesprächstechniken, Zielearbeit, Feedbackmethoden und Coaching-Methoden wie GROW sind dabei von besonders großer Bedeutung. Sie nutzen sie, um zum Beispiel Konflikte zu lösen, beim Erreichen von Zielen zu unterstützen und Entwicklungsimpulse zu setzen.

Nach Meinung der befragten Führungskräfte besteht kein Zweifel, dass das Führen mit Coaching-Methoden positive Effekte hat. Hervorgehoben wird insbesondere die Stärkung der Fähigkeit, selbstständig nach Lösungswegen zu suchen sowie die Mitarbeitermotivation zu stärken. Doch nicht alle befragten Führungskräfte stellen sich gleichermaßen entspannt der Aufgabe, coachend zu führen. Ein Grund dafür ist, dass wirkungsvolles Coaching entsprechendes Know-how voraussetzt.

Eine hervorragende Basis für den gewinnbringenden Einsatz von Coaching sind, so die Studie, gute Coaching-Ausbildungen oder unternehmensinterne Schulungen in Coaching-Methoden. Zu den methodischen Spitzenreitern zählen dabei Aus- und Weiterbildungen, die auf der Systemik, dem NLP und der Transaktionsanalyse beruhen. Fehlt eine entsprechende Vorbildung, fällt der coachende Führungsstil schwer und wird nur gelegentlich im Führungsalltag genutzt.

Facilitation als co-kreative Zukunftsgestaltung

5. Oktober 2022

Facilitation ist, so der Untertitel des gleichnamigen Fachbuchs von Holger Scholz und Roswitha Vesper, eine Methode zur dialog- und handlungsorientierten Organisationsentwicklung. Doch Facilitation ist ihrem Verständnis noch viel mehr: Die Autoren betrachten „jedes Meeting, jedes Projekt, jede Organisation als ein formbares, gestaltbares soziales Gebilde, das – mit künstlerischer Ambition – Ausdruck einer neuen, wünschenswerten Wirklichkeit werden kann.“

So wird Facilitation zum zentralen Handwerkszeug einer co-kreativen, im offenen Dialog organisierten Neugestaltung der Welt. Denn die Zukunft, so Scholz und Vesper, ist eigentlich schon da. Es geht darum, als Facilitator einen Raum zu schaffen, in dem sie durch geeignete Methoden gemeinsam formuliert werden kann. Wirksam wird Facilitation durch Co-Kreation, den freien Dialog aller Systemmitglieder zur Formulierung zukunftsgewandter Lösungen.

Doch was unterscheidet Facilitation von anderen Formen der Dialoggestaltung, zum Beispiel von klassischen Moderationsmethoden? Der Unterschied liegt nicht zuletzt in der Aufmerksamkeitsfokussierung aller Beteiligten auf Lösungen sowie im Vertrauen darauf, dass alle Stimmen im Raum ihre Berechtigung haben und gehört werden sollten.

„Facilitation“ bietet eine umfassende Einführung in die Geisteshaltung, die Philosophie und die handwerklichen Grundlagen der Methode. Das Fachbuch unterstützt dabei, komplexe Facilitation-Prozesse in ihren einzelnen Phasen sorgfältig zu planen. Der Handwerkskoffer des Facilitators wird mit nützlichen Modellen zur Begleitung des Wandels gefüllt. Als die „Glorreichen Sieben“ führen die Autoren Veranstaltungs-Formate ein, die sich im Prozess der Co-Kreation schon vielfach bewährt haben.

Wer mit Hilfe dieses Buches den Einstieg in Facilitation wagt, könnte angesichts der Dichte und Detailorientierung überfordert sein. Wer nach einem fundierten Rahmen für seine Facilitatoren-Tätigkeit sucht, findet sie hier auf jeden Fall.

Vorwärts- vor Rückwärts-Coaching?

19. August 2022

Vorwärts-Coaching? Rückwärts-Coaching? Was soll der Unterschied sein? Denn schließlich ist es immer der Auftrag von Coachs, Menschen beim Erreichen von (zukünftigen) Zielen zu begleiten. Doch noch immer haftet Coaching das Image einer Art Nachhilfe für Menschen an, die etwas nicht bewältigen oder ein „Performance-Defizit“ nicht alleine auflösen können.

Diese Art Coaching hat ihrem Verständnis nach eine korrigierende Funktion: Rückwärts-Coaching „repariert“, was nicht gut zu funktionieren scheint, und löst Abweichungen von Soll-Ideen auf. Im Gegensatz dazu ist Coaching im systemischen Sinne immer ein Vorwärts-Denken, ganz unabhängig vom Ausgangspunkt. Probleme, Konflikte, Missempfindungen oder vielleicht auch als Defizit wahrgenommene Aspekte sind lediglich Hinweisgeber für eine neu zu gestaltende Zukunft.

Im Vorwärts-Coaching geht es vor allem um Entwicklung und Gestaltung, ein Prozess, der gewissermaßen „anlasslos“ stattfinden kann, wenn der Wunsch danach im Raum steht. Denn Coaching ist und darf ein Spielraum für die kreative Erneuerung der Zukunft sein. Aber braucht es dafür tatsächlich einen Coach als Begleiter? Nicht unbedingt. Doch der Coach ist nicht nur frei von Interessen, die sich unmittelbar mit der Lebenswelt des Klienten verbinden. Er ist auch ein Experte für kreative Prozesse und kann den Finger auf Denkbarrieren und andere Hindernisse im Entwicklungsprozess legen.

Vorwärts-Coaching nimmt inzwischen auch in Unternehmen einen größeren Spielraum ein: Beispielsweise bekommen einige Führungskräfte gleich bei der Einführung in ihren neuen Job einen Coach zur Seite gestellt. Oder neu formierte Teams erhalten die Chance, in einem Team-Coaching zueinander zu finden. Auch in agilen Kontexten wird es immer selbstverständlicher, dass ein Coach Teamprozesse begleitet und proaktiv für eine gute Zusammenarbeit sorgt.

Dem Vorwärts-Coaching gehört die Zukunft. Denn angesichts der wachsenden Komplexität vieler Fragestellungen und Entscheidungen sowie der schnellen Veränderungen wird die individuelle Klarheit und der gute Zugriff auf die eigenen persönlichen Ressourcen immer wichtiger. Daten und Fakten allein helfen nicht mehr, Strategien gut zu begründen. Eine sorgfältig entwickelte Zukunftsvision, verbunden mit einer persönlichen Werte-Positionierung und einem sorgfältigen Öko-Check der zu erwartenden Auswirkungen, nimmt daher eine zentrale Steuerungsfunktion im Alltag ein.