Archive for the 'Coachee & Coaching-Nutzen' Category

Manipulation in der Kommunikation

3. Februar 2023

Dass mit Kommunikation manipuliert werden kann, ist ein Allgemeinplatz. Doch was genau ist eigentlich Manipulation? Gibt es „manipulative Methoden“? Oder hängt Manipulation von der inneren Haltung und Zielsetzung des Kommunikators ab?

Manipulation bedeutet im Wortsinne „Handhabung“ und kann sich in diesem Sinne auf handwerkliche und technische Methoden beziehen. Manipulation steht zum Beispiel in der Medizin für manuelle Methoden, mit denen Blockaden gelöst werden können. Es gibt jedoch eine weitere Bedeutung, die sich auf den psycho-sozialen und politischen Raum bezieht. Manipulation ist dann laut Wikipedia die gezielte und verdeckte Einflussnahme zur Steuerung des Erlebens und Verhaltens anderer, die diesen verborgen bleiben soll.

Doch was genau bedeutet Manipulation in der Kommunikation, und wann genau wird ein Gespräch manipulativ? Da ist eine komplexere Fragestellung, als zunächt zu vermuten ist. Denn sie suggeriert die Möglichkeit, manipulative von nichtmanipulativer Kommunikation klar zu trennen. Doch die Dinge liegen komplizierter: Denn im erstgenannten Sinne ist Kommunikation immer Manipulation, nämlich das Unterfangen, mit Hilfe von (Körper-)Sprache beim Gegenüber gewünschte Wirkungen zu erzeugen. Dafür treten wir nicht nur im Verkauf und im Büro oder der Schule, sondern auch in privaten Beziehungen an. Wir müssen und wollen uns kommunikativ vertreten, um unsere Interessen zu wahren und im Sinne unserer Ziele voranzukommen.

Dieser Prozess der Selbstvertretung und Einflussnahme ist natürlich wechselseitig. Alle an einer Kommunikation Beteiligten vertreten sich selbst, wenn der ein oder andere dabei auch wirksamer agiert und (Körper-)Sprache (un-)bewusst besser zu nutzen weiß. Embodied Communication, das (neuro-)biologisch verkörperte Wesen der Kommunikation, macht uns alle zu „Manipulatoren“ unserer Umwelt: Wir tragen gute oder schlechte Laune in einen Raum, durch (körper-)sprachliches (Des-)Interesse werten wir Menschen auf oder ab und durch unsere Stimmqualität säen wir Verbindlichkeit oder Zweifel in Gesprächen.

Ist es auch Manipulation im zweiten Sinne des Wortes, wenn ich meine gute oder schlechte Laune in eine Gemeinschaft trage, anstatt mich zu beherrschen? Was genau macht den Unterschied zwischen der Kulturtechnik des menschlichen Austausches und der bewussten Manipulation zu den eigenen Gunsten aus? Die Grenzen sind fließend. Denn schließlich beschäftigen sich ganze Berufszweige wie Werbe- und PR-Agenturen auf legaler Basis damit, das Erleben und Verhalten von Menschen mit wirksamen Methoden zu beeinflußen. Selbst Wissenschaftler empfehlen zum Beispiel das Nudging, eine Methode, um subliminal Einfluss auf das Verhalten von Menschen zu nehmen.

Den Unterschied machen also offensichtlich nicht die Methoden, sondern die Billigung der Folgen eigener Kommunikationen aus. Ein guter systemischer NLP-Coach beispielsweise nutzt sein Wissen um die Kommunikation dazu, die Selbstregulation seiner Klientin zu fördern. So gesehen, ist er ein kommunikativ gut geschulter Manipulator zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit seiner Klientin. Zwar kann die Klientin die Methoden des Coachs nicht alle „durchschauen“. Doch im besten Fall sollten die langfristigen Auswirkungen sie von deren Nutzen in ihrem Leben überzeugen. Ein guter Coach ist daher auch immer bereit, mögliche ungünstige Auswirkungen seiner „Manipulation“ zu erkennen und aufzulösen.

Zieht jemand dagegen alle Register, um seine Ziele auf Kosten anderer zu verwirklichen, handelt es sich offensichtlich um Manipulation im zweiten Sinne. Eine Heiratsschwindlerin beispielweise tritt mit diesem Vorsatz an. Den Unterschied macht dabei aber nicht nur die „kriminelle“ Energie, sondern das billigende In-Kauf-Nehmen und die Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen des eigenen Verhaltens für andere aus. Und diese Kombination treffen wir leider immer wieder auch in Alltagskommunikationen an.

Und wie können wir uns wirkungsvoll vor übergriffiger Manipulation schützen? Am besten mit kommunikativem Methoden-Know-how. Denn wer weiß, wie Kommunikation funktioniert, fördert nicht nur das eigene Selbstmanagement, sondern mobilisiert in Gesprächen die nötige Wachsamkeit.

Führungskräfte empfehlen das Führen mit Coaching-Methoden

6. Dezember 2022

Im Herbst ist die 2. Quadriga Coaching Studie 2022 mit dem Fokus Managerial Coaching erschienen. Sie untersucht auf der Basis von 3.153 Antworten aus deutschen Führungskräfte-Kreisen kleiner, mittlerer und großer Unternehmen, welchen Stellenwert das entwicklungsorientierte Führen mit Coaching-Methoden im bundesdeutschen Organisationsalltag besitzt. Die Quintessenz des Studienautors und Executive Directors am Institut für Coaching und Leadership (ICL) der Quadriga Hochschule, David Nitschke: „Der Einsatz von Coaching-Techniken in der Führung besitzt so viel Potenzial, dass wir es uns in Zukunft nicht mehr leisten können, diese Techniken und die dazugehörigen Haltungen im Rahmen der Führungskräfteentwicklung nicht zu trainieren und zu vermitteln.“

Dass selbst die Pandemie den Stellenwert des Personalentwicklungsinstruments Coaching nicht mindern konnte, haben bereits mehrere Studien gezeigt. Auch die Zahlen der Quadriga Coaching Studie 2022 verweisen darauf. Denn 38 Prozent der befragten Personaler unter den teilnehmenden Führungskräften nutzen ihrer Angabe nach Coaching durch interne und externe Partner stark. Aber weniger bekannt ist, dass auch die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden immer häufiger coachen. 37 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, Coaching gelegentlich einzusetzen, immerhin fünf Prozent sprechen von einer ständigen Nutzung.

Die vieldiskutierte Schwierigkeit, die Rolle der Führungskraft mit der auf Neutralität verpflichteten Rolle des professionellen Coachs zu vereinbaren, stellt sich für die meisten Führungskräfte nicht. 58 Prozent der Befragten sehen nur wenig oder gar kein Potenzial für einen Rollenkonflikt. Denn es geht ihnen vor allem um die Methoden, Techniken und inneren Haltungen, die sie vom Coaching übernehmen können. Fragen, Gesprächstechniken, Zielearbeit, Feedbackmethoden und Coaching-Methoden wie GROW sind dabei von besonders großer Bedeutung. Sie nutzen sie, um zum Beispiel Konflikte zu lösen, beim Erreichen von Zielen zu unterstützen und Entwicklungsimpulse zu setzen.

Nach Meinung der befragten Führungskräfte besteht kein Zweifel, dass das Führen mit Coaching-Methoden positive Effekte hat. Hervorgehoben wird insbesondere die Stärkung der Fähigkeit, selbstständig nach Lösungswegen zu suchen sowie die Mitarbeitermotivation zu stärken. Doch nicht alle befragten Führungskräfte stellen sich gleichermaßen entspannt der Aufgabe, coachend zu führen. Ein Grund dafür ist, dass wirkungsvolles Coaching entsprechendes Know-how voraussetzt.

Eine hervorragende Basis für den gewinnbringenden Einsatz von Coaching sind, so die Studie, gute Coaching-Ausbildungen oder unternehmensinterne Schulungen in Coaching-Methoden. Zu den methodischen Spitzenreitern zählen dabei Aus- und Weiterbildungen, die auf der Systemik, dem NLP und der Transaktionsanalyse beruhen. Fehlt eine entsprechende Vorbildung, fällt der coachende Führungsstil schwer und wird nur gelegentlich im Führungsalltag genutzt.

Die Natur als Coach

1. September 2022

Die Natur als Arbeitsraum? Das Handbuch für Coachs, (Mental-)Trainer und Therapeuten von Carsten Gans, Katja Dienemann, Anja Hume und Andé Lorino zeigt nicht nur eine große Vielfalt methodischer Möglichkeiten bei der Arbeit in der Natur auf. Es spiegelt auch, dass Natur-Coaching keiner Zielgruppen- und Themeneinschränkung unterliegt (wenn man Naturmuffel außer Acht lässt). Vom Einzel- bis zum Paar- oder auch Business-Coaching ist alles möglich. Doch was ist das Besondere am Natur-Coaching, das den damit verbundenen Aufwand für Klienten und Coachs rechtfertigen kann?

Zum einen berufen sich die Autoren auf die Herkunft des Menschen aus der Natur: Im Wald, auf Wiesen und Feldern, in den Bergen und an vielen anderen naturnahen Orten fällt es leichter, zu sich zu kommen, Stress abfallen zu lassen und sich mit frischem Blick den eigenen Themen zu stellen. Denn die Natur ist gewissermaßen unser eigentliches Zuhause. Zum anderen heben sie hervor, dass es beim Arbeitsraum Natur nicht nur um eine zusätzliche Atmosphäre geht, welche die der geschlossenen Räume ergänzt. Der Natur-Raum lebt und kann gewissermaßen die Rolle eines Co-Coachs einnehmen, während geschlossene Räume statisch bleiben.

Was es bedeutet, die Natur als Coach einzusetzen? Für Katja Dienemann heißt das, ihre Erfolgsprinzipien und Besonderheiten in die Gesprächsführung einzubeziehen und als Coach zu einer Brücke für eine andere Art der Naturwahrnehmung zu werden. Die Natur wird so für den Klienten zu einem Resonanzraum, „… der etwas in ihm zum schwingen bringt.“ Im Idealfall wirkt dann die Natur für sich selbst und vermittelt dem Klienten intuitiv eine neue Wahrnehmung und Perspektive. „Ich verstehe“, so eine Klientin. „Dieser Baum mit der abgebrochenen Krone erinnert mich an mich selbst: Er ist verletzt. Aber seine Äste treiben aus und entwickeln sich weiter.“

Die Natur ist Vorbild und Inspirationsquelle. Sie regt uns an, mit ihr in Resonanz zu gehen und durch Analogien zu lernen. Und sie kann noch mehr. Denn letztendlich gibt es keine bessere Lehrerin für systemisch-vernetzte Sichtweisen als die Natur: Sie lernt durch Feedback, ohne monokausal „Fehler-Etiketten“ zuzuweisen. Denn sie bewertet Ereignisse in einem größeren räumlichen sowie auch zeitlichen Rahmen. Sie ist flexibel, tolerant, anpassungsfähig und auf Kooperation bedacht. Alles hat in der Natur nicht nur seine Berechtigung, sondern auch seine Zeit.

Das Handbuch führt umfassend in die Arbeit in der Natur ein, klärt Wirkungen und informiert über Voraussetzungen. Auf der Basis des NLP, der Hypnose sowie der Aufstellungsarbeit bietet es eine Fülle guter Ideen. Der modulare Aufbau macht es möglich, ohne Informationsverlust einzelne Kapitel, z. B. das Coaching mit Gruppen und Teams, anzusteuern.

Zum Schluss noch ein Appell: Probieren geht auch beim Arbeitsraum Natur bekanntlich über Studieren!

Vorwärts- vor Rückwärts-Coaching?

19. August 2022

Vorwärts-Coaching? Rückwärts-Coaching? Was soll der Unterschied sein? Denn schließlich ist es immer der Auftrag von Coachs, Menschen beim Erreichen von (zukünftigen) Zielen zu begleiten. Doch noch immer haftet Coaching das Image einer Art Nachhilfe für Menschen an, die etwas nicht bewältigen oder ein „Performance-Defizit“ nicht alleine auflösen können.

Diese Art Coaching hat ihrem Verständnis nach eine korrigierende Funktion: Rückwärts-Coaching „repariert“, was nicht gut zu funktionieren scheint, und löst Abweichungen von Soll-Ideen auf. Im Gegensatz dazu ist Coaching im systemischen Sinne immer ein Vorwärts-Denken, ganz unabhängig vom Ausgangspunkt. Probleme, Konflikte, Missempfindungen oder vielleicht auch als Defizit wahrgenommene Aspekte sind lediglich Hinweisgeber für eine neu zu gestaltende Zukunft.

Im Vorwärts-Coaching geht es vor allem um Entwicklung und Gestaltung, ein Prozess, der gewissermaßen „anlasslos“ stattfinden kann, wenn der Wunsch danach im Raum steht. Denn Coaching ist und darf ein Spielraum für die kreative Erneuerung der Zukunft sein. Aber braucht es dafür tatsächlich einen Coach als Begleiter? Nicht unbedingt. Doch der Coach ist nicht nur frei von Interessen, die sich unmittelbar mit der Lebenswelt des Klienten verbinden. Er ist auch ein Experte für kreative Prozesse und kann den Finger auf Denkbarrieren und andere Hindernisse im Entwicklungsprozess legen.

Vorwärts-Coaching nimmt inzwischen auch in Unternehmen einen größeren Spielraum ein: Beispielsweise bekommen einige Führungskräfte gleich bei der Einführung in ihren neuen Job einen Coach zur Seite gestellt. Oder neu formierte Teams erhalten die Chance, in einem Team-Coaching zueinander zu finden. Auch in agilen Kontexten wird es immer selbstverständlicher, dass ein Coach Teamprozesse begleitet und proaktiv für eine gute Zusammenarbeit sorgt.

Dem Vorwärts-Coaching gehört die Zukunft. Denn angesichts der wachsenden Komplexität vieler Fragestellungen und Entscheidungen sowie der schnellen Veränderungen wird die individuelle Klarheit und der gute Zugriff auf die eigenen persönlichen Ressourcen immer wichtiger. Daten und Fakten allein helfen nicht mehr, Strategien gut zu begründen. Eine sorgfältig entwickelte Zukunftsvision, verbunden mit einer persönlichen Werte-Positionierung und einem sorgfältigen Öko-Check der zu erwartenden Auswirkungen, nimmt daher eine zentrale Steuerungsfunktion im Alltag ein.

Teamcoaching professionalisieren

7. Juli 2022

Aktuelle Marktdaten belegen, dass der Anteil der Team- und Gruppencoachings am Gesamt-Coachingmarkt beträchtlich zugenommen hat. Beinahe 37 Prozent aller Coachings finden inzwischen in Teams und Gruppen statt. Es ist daher an der Zeit, das Teamcoaching, das bislang auch in vielen Ausbildungen eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat, weiter zu professionalisieren. Svenja Hofert und Thorsten Visbal wollen in ihrem 2021 erschienenen Buch zeigen „wie Teams funktionieren und wann sie effektiv arbeiten„.

Das große Plus dieses Grundlagenwerks: Von Begriffsdefinitionen über die Diskussion von Wertehaltungen und Grundannahmen, von gruppendynamischen Phänomenen und Rollenklärungen bis zur Auflösung von Konflikten, vom Teamcoaching in Präsenz bis zur Remote-Arbeit führen die Autoren in alle Facetten des Teamcoachings ein. Klassische Modelle und Tools wie zum Beispiel die Teamuhr nach Tuckman werden ergänzt durch moderne Herangehensweisen, zum Beispiel agile Spiele.

Einzig und allein die Dichte der beschriebenen Methoden, zumeist in tabellarischer Form, dürfte für den Einsteiger in das Teamcoaching eher abschreckend als animierend sein. Denn die damit verbundene Abstraktheit erschwert es, in eine praktische Umsetzung zu gehen. Insofern ist das Buch eher ein Nachschlagewerk für Profis, die sich in kurzer Zeit in eine Thematik einarbeiten wollen.

Sehr hilfreich sind die systemischen Grundannahmen, die die Autoren formulieren: „Ich bin selbst die wichtigste Intervention“ verweist auf die Bedeutung, die der geschulten Rollenklarheit und der metaperspektischen Grundhaltung eines Teamcoachs zukommt. „Ohne Emotionen bewegt sich nichts“ spiegelt das Wissen darum, dass Veränderung nur mit neuronalem „Feuer“ gelingt. „Alles hat zwei Seiten“ klingt zunächst banal, fördert aber die geistige Flexibilität. „Nur Verhalten zählt“ hilft, hinter die Fassade der Bewertungen zu schauen.

Und nicht zuletzt die Annahme „Entwicklung vor Zufriedenheit“ schützt davor, vordergründige Lösungen zu finden. Die Beobachtung der Autoren: „Ist die Zeit … reif, dann führt der Weg zu einer neuen Erkenntnis fast immer über eine Irritation und selten über sofortiges lautes Hurra.“

Neurotraining für die Psyche

24. Mai 2022

Die Botschaft, dass Körper, Emotionen und Geist Teile desselben Systems darstellen, hat keinen Neuigkeitswert mehr. Schon seit zwei Jahrzehnten werden die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist, vermittelt über unser Gehirn, intensiv erforscht. Doch in jüngster Zeit hat sich durch diese Entwicklung auch der therapeutische Fokus verschoben. Bislang als psychisch kategorisierte Probleme werden inzwischen immer häufiger auch aus neuronaler Perspektive betrachtet und auf neuen körperorientierten Wegen behandelt.

Ein Beispiel für diesen Trend liefert das von den Sporttrainern Lars Lienhard und Ulla Schmid-Fetzer verfasste Buch zur Neuronalen Heilung. Darin beschäftigen sie sich mit den Funktionen der Inselrinde, die für die innere Wahrnehmung zuständig ist. Mit einfachen und größtenteil bereits bekannten, aber in ihrer Wirkung durchaus verkannten Körperübungen zielen sie darauf, die Balance zwischen den zwei zentralen Kräften unseres vegetativen Nervensystems, dem Sympathicus und dem Parasympathicus, zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Dazu ist es wichtig, dass die Inselrinde Informationen aus der Umwelt, dem Körperinneren, dem Fühlen sowie der Bewegung bestmöglich integriert.

Der hintere Teil der Inselrinde beurteilt vor allem die über den Vagusnerv eingehenden Informationen, Gefühlsintensitäten und sowie Gleichgewichtssignale. Der mittlere Teil prozessiert Geruch, Geschmack, akustische Signale sowie weitere Aspekte des Gleichgewichts. Im vorderen Teil geht es um die bewusste Wahrnehmung und die kognitive Beurteilung der Informationen. Die Inselrinde steht wiederum in enger Verbindung mit dem Frontallappen, der es ermöglicht, auf Impulse angemessen zu reagieren.

Das Training des Vagusnervs, Gleichgewichts- und Geruchs- sowie Geschmacksübungen, kombiniert mit Augenübungen, akustischen Übungen und Atemübungen, regulieren innere Vorgänge wie Emotionen und zum Beispiel Essverhalten. Sie bereiten außerdem den Boden für die Fähigkeit, das sozial-emotionale Zentrum im vorderen Bereich der Inselrinde gut zu steuern. Hinweise auf eine Dysbalance in diesem Bereich können Stress, Phobien, Panikattacken und depressive Stimmungen sein.

Mit dem Wissen um körperorientierte Methoden eröffnen sich neue Selbsthilfemöglichkeiten für Menschen, die ihr Körpergefühl verbessern, Stress reduzieren, Emotionen regulieren und ihre Aufmerksamkeit für Aufgaben schärfen wollen. Den Wirksamkeitsnachweis des beschriebenen Trainings insbesondere für die psychischen Anwendungen können natürlich nur entsprechende Studien erbringen. Dass sich neuronales Training messbar positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt, haben die Autoren als Trainer im Spitzensport jedenfalls bereits bewiesen.

Ethik im Coaching

27. April 2022

Coaching ist eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit. Denn schließlich schenken die Klienten dem Coach ein hohes Maß an Vertrauen. Sie „vertrauen sich an“ und teilen mit ihm ihr ganz persönliches Erleben und die damit verbundenen Emotionen. Das ethische Verhalten des Coachs ist daher der Dreh- und Angelpunkt für die Qualität der Beziehung, die Coach und Klient miteinander aufbauen.

Coaching macht es sich per definitionem zur Aufgabe, nicht die eigenen Ziele, sondern die Ziele des Klienten in den Mittelpunkt zu stellen. Es setzt aus diesem Grund immer die professionelle Rollenklarheit des Coachs voraus. Auch beim Coaching von Freunden oder Bekannten verfügt ein geschulter Coach über die Kompetenz, die persönliche von der professionellen Ebene klar zu trennen.

Der Coach verantwortet zwar nicht die vom Klienten gefundenen Lösungen, zum Beispiel eine Trennung vom Arbeitgeber. Doch er ist verantwortlich für die Beziehungsqualität zum Klienten und für Qualität des Coaching-Prozesses. Zu seinen Aufgaben gehört es außerdem, seine berufsbezogenen Kompetenzen weiterzuentwickeln und die Grenzen seiner Kompetenzen in einem Coaching klar zu erkennen. Wenn sich beispielsweise Themen im Verlaufe des Coachings als therapiebedürftig darstellen, gehört die Verweisung an Experten zur Kompetenzausübung des Coachs.

Zum Coaching gehört neben der Verschwiegenheit auch eine durchgehende Wertschätzung für die Haltung und das Verhalten des Klienten. Ohne die Fähigkeit, allen (in-)direkt Beteiligten gegenüber Neutralität zu bewahren, wird der Coach seiner Aufgabe nicht gerecht. Denn zum Coaching gehört die systemische Überzeugung, dass allem Verhalten eine positive Absicht innewohnt und insofern jedem der gebührende Respekt zu zollen ist.

Die systemische Grundhaltung des Coachs führt zu einem ökologischen Denken, das die Komplexität der Wechselwirkungen in Systemen im Blick hat. Aus dieser Sicht sind Klienten-Lösungen nur dann langfristig tragfähig, wenn sie der inneren sowie äußeren Ökologie des Klienten entsprechen und ihn auf längere Sicht weniger kosten als das alte Verhaltensprogramm. Gute Coaching-Lösungen orientieren sich nicht am schnellen, sondern immer am nachhaltigen Erfolg.

Der inflationäre Gebrauch des Begriffs Coach in den Medien und in der Wirtschaft legt nahe, dass jeder jederzeit über Coaching-Kompetenzen verfügen kann. Doch es liegt auf der Hand, dass die genannten Coach-Fähigkeiten einer gezielten Schulung bedürfen. Coaching ist ein Berufsbild, bei dem methodische Qualitäten und die Bereitschaft zur Persönlichkeitsentwicklung sowie ethisch ausgerichtetem Handeln untrennbar miteinander verknüpft sind.

Fragenreich ins neue Jahr starten

14. Dezember 2021

Zur Jahreswende steht nicht nur der Kalenderwechsel, sondern oft auch die Suche nach Anregungen für einen mentalen Erneuerungsprozess an. Wer das sprachliche Methodenrepertoire des Coachs kennenlernen möchte und eine Anleitung zum Selbstcoaching sucht, findet in Michael Curse Kurths 199 Fragen an Dich selbst einen guten Partner für diesen Prozess.

Der Titel verdeutlicht, dass es bei Kurths Buch um Eigenarbeit und Selbstendeckung geht. Der Autor, Rapper und zugleich Yogalehrer sowie systemischer Coach, beschränkt sich auf Einführungen sowie Erläuterungen zur guten Fragequalität. Fast nebenbei erlernt der Leser wichtige Aspekte des gezielten Spracheinsatzes beim Coaching.

In den Workshop-Parts dieses Selbstentwicklungsbuchs ist dagegen wortwörtlich allein der Leser gefragt: Entdeckungsfragen zu Zielklarheit und innerer Freiheit, zum Prozess des Annehmens, Verzeihens und Loslassens, zur Definition der eigenen Stärken sowie zum Erkunden des Berufsleben und des privaten Umfelds führen die Leserin in einen Dialog mit sich selbst.

Guten Fragen misst unsere Kultur seit Sokrates einen hohen Stellenwert zu. Doch erst das Coaching hat gute Fragetechniken systematisiert und methodisch vermittelbar gemacht. Kurths 199 Fragen tragen sicherlich zu einer weiteren Verankerung dieser Techniken in unserem Lebensalltag bei.

Online-Coaching-Qualität erzeugen

15. Oktober 2021

Online-Coaching gibt es schon viele Jahre. Doch ein breites Interesse an Online-Coaching-Methoden hat erst die Corona-Pandemie gebracht. Denn viele Coachs konnten sich bis zu diesem Punkt nicht vorstellen, mit den reduzierten Möglichkeiten des Bildschirms optimal auf Klientenanliegen einzugehen. Vor allem die eingeschränkte körpersprachliche Wahrnehmung erschien ihnen als relevantes Hindernis. Das frisch auf den Markt gekommene Praxisbuch Online-Coaching von Cora Besser-Siegmund et. al. stellt daher den sogenannte Humanonline-Faktor in den Mittelpunkt.

„Humanonline“ im Sinne der Autoren bedeutet, Klienten über körpersprachliche Inputs und Signale so zu mobilisieren, dass sie Verbindungen mit ihren Neuroressourcen herstellen können. Ohne diese Mobilisierung findet zwar auch ein Austausch von Worten und Ideen zwischen Klient und Coach statt. Der neurologische Aktivierungsgrad diese Kommunikation und die damit verbundene Langzeitaktivierung ist jedoch gering. Die Autoren empfehlen Online-Coachs vor allem, Bewegung in das Online-Coaching einzubauen sowie die von ihnen beschriebenen Open Mind Helper einzusetzen.

Open Mind Helper sind zum einen die bewussten Augenbewegungen, wie sie im wingwave-Coaching genutzt werden. Zum anderen gehören zum Beispiel Klopfübungen wie die Vagus-Stimulation mittels eines leichten Beklopfens des Brustbeins dazu. Bei allen Aktivitäten sollte die Kamera so eingestellt sein, dass die Kopf-, Schulter- und Armbewegungen des Klienten gut zu sehen sind. Es bewährt sich außerdem beim Online-Coaching, den Handlungsrahmen über den Bildschirmrand hinaus bewusst zu erweitern. Wenn Coachs zum Beispiel bewusste Augenbewegungen zur Ressourcenförderung einsetzen, dann helfen Klebepunkte im Raum des Klienten, das Blickfeld weiträumig zu öffnen.

Aber auch die Wahl der Sprache entscheidet mit darüber, ob Klienten am Bildschirm optimal involviert werden können. Wird Sprache gezielt eingesetzt, lassen sich online die gleichen Effekte erzielen wie in Präsenz. Das gilt für das Erzeugen von Trance bzw. das Durchführen von Hypnosen. Das gilt ebenso für alle Fragemethoden sowie Reframings und die Nutzung von Ankerwörter und anderen Buzzwords zur Aktivierung.

In die Sprache des erfahrenden NLP-Coachs übersetzt, bietet das Praxisbuch Online-Coaching allerdings nicht allzu viel Neues. Denn selbstverständlich ist „humanonline“ nur eine neue Umschreibung für Pacing und Rapport. Und auch viele Ideen speisen sich aus dem aus der analogen Arbeit bekannten Dienstleistungsspektrum der Autoren. Doch wer sich für die neurobiologischen Hintergründe von Coaching-Techniken interessiert, finde in diesem Buch viele aktuelle Anregungen.

Coaching in Corona-Zeiten

8. September 2021

Die Rauen Coaching-Marktanalyse 2021 untersucht auf der Basis von 351 befragten Coachs die Veränderungen, die sich im vergangenen Jahr nicht zuletzt durch die besonderen Umstände der Pandemie ergeben haben. Die wesentlichste Verschiebung ist bei den Coaching-Formaten zu verzeichnen: Fanden 2019/20 nur 7,7 % aller Coachings im Videokonferenz-Format statt, sind es nun 37,11 %. Dazu passt, dass im Mittelpunkt von 41 % aller Fortbildungen der Coachs das Thema virtuelle Beratung stand.

Und wie hat sich die wirtschaftliche Situation der Coachs unter Pandemiebedingungen entwickelt? Hier gibt es keine einheitliche Aussage. Besonders erfahrene Coachs mit über 15 Jahren Berufspraxis haben eher Einbußen zu verzeichnen, sowohl im Volumen als auch im durchschnittlichen Preis für eine Coaching-Stunde. Coachs mit weniger Erfahrung konnten sich, so die Vermutung, schneller an die Situation anpassen und den Coaching-Anteil an ihrem (allerdings gesunkenen) Einkommen steigern. Auch der durchschnittliche Preis für eine Coaching-Stunde erhöhte sich bei ihnen.

Am besten bewältigt haben die Krise Solo-Selbstständige mit eigenen Mitarbeitern, während Solo-Selbstständige ohne Mitarbeiter deutliche Einbußen hinnehmen mussten. Interessanterweise trägt die Mitgliedschaft in einem Verband zur wirtschaftlichen Stabilität bei. Im Verband organisierte Coachs schneiden gerade beim Coaching-Anteil des Einkommens besser ab als die Coachs ohne eine Verbandmitgliedschaft. Wirtschaftlich weitgehend stabil war die Lage der internen Coachs, deren Anteil sich aber nur auf 2,85 % des Coaching-Markts beschränkt. Bezogen auf die Geschlechter stellt die Studie übrigens bei den Einkommenseinbußen keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen fest.

Viele weitere Zahlen bleiben fast unverändert: Coachs sind mehrheitlich weiblich (62,68 %), zu 85,19 % akademisch gebildet und im Durchschnitt etwa 53 Jahre alt. Die Studienteilnehmer verfügen im Mittel über fast dreizehn Jahre Erfahrung als Coachs und insgesamt das Doppelte an Berufsjahren. Auffällig ist, dass Coachs im Durchschnitt über 13,92 Jahre Erfahrung als Führungskraft sammeln konnten. Dieser Führungsbackground scheint ein wichtiges Plus für die Fähigkeit, sich am Coaching-Markt zu bewähren.

Die Studie hat auch untersucht, wie Coachs für ihr Angebot werben. Nach wie vor ist die Weiterempfehlung der wichtigster Faktor für den Erfolg (15,19 %), gefolgt von der Spezialisierung (7,94 %) und dem persönlichen Kontakt vor einem Coaching (7,69 %). Coachs nutzen neben Aktivitäten wie Vorträgen, Lehraufträgen, Publishing-Aktvitäten und Datenbankeinträgen vor allem Marketing-Instrumente wie die Warmakquise bei Bestandskunden, die eigene Homepage und Social Media-Aktivitäten. Am erfolgreichsten ist offensichtlich die Warmakquise, direkt gefolgt von Aktivitäten auf der Plattform LinkedIn.

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