In jeder Zeitschrift kann man seit vielen Jahren lesen, dass Ziele am besten mit der S.M.A.R.T.-Regel formuliert werden. Und auch die Coaching-Fachliteratur preist das s.m.a.r.t.e Ziel als Standard, der das Erreichen des Erwünschten leichter macht. Doch ist es wirklich clever und vor allem nachhaltig, Ziele auf diese Art zu fixieren? Ein systemischer NLP-Coach, der die menschliche Selbstorganisationsfähigkeit in den Mittelpunkt seiner Methode stellt, hat Zweifel an diesem Dogma.
Was genau ist die Idee der s.m.a.r.t.en Ziele? Die Formel steht für attraktive und realistische Ziele, die so spezifisch auf den Punkt gebrachte worden sind, dass ihr Erreichen innerhalb eines konkreten Terminrahmens messbar ist. Aus dieser Definition geht hervor, dass s.m.a.r.t.e Ziele bereits bekannte, sehr spezifisch benannte Aufgaben im gegebenen Zeitrahmen umsetzen. Lernprozesse im Verlaufe des Zielerreichungsprozesses sind nicht vorgesehen.
Ziele dienen nach dieser Vorstellung nicht der kreativen Lösungsorientierung, sondern dem Abarbeiten von „To-Do´s“. Eine iterative, sich einem Projekt schrittweise annähernde Vorgehensweise ist im Umkehrschluss nach dieser Definition nicht s.m.a.r.t. Das ist vor allem aus der Sicht des Coachs sehr bedauernswert, weil doch gerade Ziele der Entwicklung dienlich sein wollen. Aber auch zu agilen Arbeitsweisen passt diese Art des Zielverständnisses nicht. Die Idee der objektiven Messbarkeit innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums schützt zwar bei Vereinbarungen mit anderen davor, die Bewertung der Zielerreichung aus der Hand zu geben. Doch der Preis ist hoch.
Denn ein s.m.a.r.t. ausgedrücktes Ziele kann weder faszinieren noch überraschen noch Neues hervorbringen. Es will lediglich abgearbeitet werden. Das schwächst die Hin-zu-Motivation, die Menschen immer wieder dazu antreibt, kreatives Neuland zu erobern und auch Hindernisse zu überwinden. Zudem schränkt S.M.A.R.T. das Spektrum des vernünftigerweise als Ziel formulierbaren Ideen ein. So widerspricht es zum Beispiel den genannten Regeln, sich das Ziel zu setzen, ausgeglichen zu sein. Denn der Maßstab ist unklar, und ein Datum aberwitzig.
Die zumeist eingeschlagene Lösung der S.M.A.R.T.-Anhänger: eine Zielformulierung, die das vermeintlich optimale Mittel zum Erreichen von Ausgeglichenheit benennt, beispielsweise die Idee, täglich eine Viertelstunde Meditation zu betreiben. Die Mediation ist bestimmt eines der sehr nützlichen Mittel auf dem Weg zur Ausgeglichenheit. Aber bringt diese Formulierung den eigenen Wunsch bestmöglich auf den Punkt? Und verschließt sie nicht vorab Türen zu weiteren Mitteln, die individuell sehr hilfreich sein können?
Was ist die Alternative? Der systemische NLP-Coach arbeitet mit dem sogenannten Zielrahmen. Dieser präzisiert Ziele sprachlich so, das sie über das Sinneserleben konkret fassbar sind und doch zugleich Raum für Entwicklung sowie die Entstehung neuer Sichtweisen geben. So kann die Formulierung „Ich bin ausgeglichen“ ausgesprochen produktiv sein. Die Voraussetzung ist, dass der Formulierende genau ergründet, wie er Ausgeglichenheit mit seinen fünf Sinnen erlebt, und sich darauf einlässt, Schritte in dieses Neuland zu gehen. Ein Termin erübrigt sich, denn Ausgeglichenheit ist kein Etappen-, sondern ein Qualitätsziel, das Menschen immer wieder zwischendurch erreichen, ohne es festhalten zu können. Wann das Ziel erreicht ist? Genau dann, wenn der zur Selbstorganisation fähige Mensch wahrnimmt, dass er angekommen ist.
Und was hindert nun Menschen daran, ihre Ziele schleifen zu lassen? Bei beiden Arten des Zielformulierens eigentlich nichts, außer das Versprechen, mit der Zielumsetzung wertvolles Neues zu erleben. Warum dann nicht dieses Neue so auf den Punkt bringen, dass es seine sprachliche Anziehungskraft ausüben kann und tagtäglich Begeisterung und Motivation schürt? Das Schöne an un-s.m.a.r.t.en Zielen: Sie bergen viele attraktive Geheimnisse, die sich erst im Verlaufe des Zielwegs offenbaren.