Archive for the 'Aufstellungen & Systeme' Category

Wieso eigentlich Life Coaching?

29. Februar 2024

Als systemische-ganzheitlicher Coach fragt man sich: Was genau ist eigentlich Life Coaching? Und ist Coaching im Business-Umfeld der Gegenbegriff zum Life Coaching? Oder hängt es von den Zielgruppen ab, ob sich ein Coaching als Life Coaching qualifiziert? Scannt man die Medien und Social Media-Kanäle, gibt es nicht nur sehr unterschiedliche, sondern auch widersprüchliche Antworten darauf. Da Life Coaching in der Öffentlichkeit vieldiskutiert und durchaus umstritten ist, lohnt sich ein Blick auf diese Fragen.

Im einfachsten Sinne unterscheidet sich das Life Coaching von anderen Coaching-Formen durch den Fokus auf das Privatleben von Menschen. Selbstzahler stellen naturgemäß ihre persönliche Entwicklung in den Mittelpunkt. Systemisch-ganzheitlich gedacht, lassen sich dabei die beruflichen Aspekte ihrer Persönlichkeit nicht ignorieren. Der Sinn eines Coachings ergibt sich ja gerade aus einer erweiterten Sichtweise, die Themen aus alten „Schubladen“ holt. Der Inhalt des Coachings kann also nicht der zentrale Unterschied zwischen Life und Business Coaching sein.

Wenn nicht das Thema entscheidet, ist dann Life Coaching die Bezeichnung für ein Selbstzahler-Produkt, während Business Coaching als B2B-Leistung verstanden werden darf? Diese Begriffsabgrenzung klingt sinnvoll. Für viele leitet sich jedoch daraus ab, dass ein Business Coaching die Persönlichkeitsentwicklung ausspart. Ein vom Arbeitgeber bezahltes Coaching sollte natürlich kein reines Goody sein, sondern eine Leistung, die der beruflichen Performance dient. Doch genauso wenig wie Life Coaching in der Regel ohne die Berufswelt funktioniert, kann Business Coaching aus systemischer Warte ohne die private Seite des Klienten gelingen.

Daraus ergibt sich der nächste Punkt: Für den systemischen NLP-Coach versteht sich die ganzheitliche Sicht auf den Menschen von selbst. Doch die Diskussion um das Stichwort Life Coaching offenbart, dass es stark davon abweichende methodische Ansätze gibt. Auf das, was für viele Life Coachs die Definition von Coaching ausmacht, nämlich die Beratung von Menschen, verzichten systemische Coachs ganz. Denn ihr Ziel ist die lösungs- und zukunftsorientiert Selbstorganiation. Um Klienten nicht in Abhängigkeiten zu bringen, fördern sie konsequent die Selbstführung und machen sich durch ihre Dienstleistung möglichst schnell überflüssig.

Die Fähigkeit zur Förderung der Selbstorganisation erwerben Coachs in einem intensiven Training. Sie durchlaufen eine fundierte Ausbildung, die psychologische und kommunikative Skills umfasst und auch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit einschließt. Das breite methodische Instrumentarium, das systemischen Coachs nutzen, hat sich seit Jahrzehnten auch im therapeutischen Umfeld bewährt.

Hier schließt sich der Kreis: Life Coaching als Beratung im privaten Umfeld ist kein klar abgegrenztes Konzept, sondern ein Mode-Marketing-Begriff. Vielen reicht es sogar, selbst persönliche Krisen bewältigt zu haben, um als Coach vor Menschen zu treten. Ein Life Coach kann auf beliebiger Werte- und Methodengrundlage agieren und sein Rollenverständnis selbst entwickeln. So gibt es Life Coachs, die in Zweier-Settings coachen, aber auch solche, die im Guru-Stil ein paar Tausend Menschen von der Bühne aus mit Affirmationen und Tipps versorgen. Life Coaching wird so zu allem, wofür es gerade keinen attraktiveren Namen gibt.

Versteht man Coaching dagegen in Abgrenzung zur Beratung als Begleitung bei der Selbstorganisation, dann kommt dem Coach ein klar umrissenes Rollenbild zu: Als geschulter Begleiter von Einzelne und Teams geht er immer individuell und persönlich vor. Den Coaching-Prozess führt er nicht auf der Inhaltsebene, sondern als Prozess-Verantwortlicher. Seine Methode setzt er ein, um dem Klienten die Selbstklärung zu ermöglichen und sein Vertrauen in die eigenen Kompetenzen zu stärken.

Fazit: In der Öffentlichkeit existieren neben dem seriösen Coaching, für das hier beispielhaft das systemische NLP-Coaching genannt wurde, Life Coaching-Konzepte, die sich zum Teil aus dem Bereich der Küchenpsychologie nähren. Daher empfiehlt sich ein kritischer Umgang mit dem, was Coaching und insbesondere Life Coaching heißt. Viele Medienbeiträge tragen leider nicht zur Differenzierung bei, sondern werfen seriöse Coachs in einen Topf mit Bühnen-Gurus. Umso erfreulicher, dass im Bereich des Business Coachings zwischen Kunden und Anbietern weitgehend Klarheit über die Qualität fundierter Coachings herrscht.

Kein lebendes System ohne Konflikt

12. Februar 2024

Konflikte kosten Kraft. Sie wühlen auf und stören die Ruhe, die wir uns im Alltäglichen wünschen. Doch geht es auch ohne Konflikte? Oder führt die Kunst des Konflikt zumindest zu einem schnellen Ende von Auseinanderstetzungen und Streit? Wohl eher nicht. Denn nach Auffassung des Trainers und Coachs Klaus Eidenschink braucht „die soziale Ordnung in Gruppen und Organisationen […] Konflikte, um sich ständig zu erneuern und damit zu reorganisieren.“

Eidenschink beschreibt den Konflikt als das, was passiert, wenn soziale Systeme in Bewegung kommen und stabile Strukturen hinterfragt werden. Aus systemischen Sicht sind Konflikte eigentlich der Normalfall, während „Konsens, Frieden und Verständigung Zustände sind, die wir Menschen für eine gewisse Zeit, für bestimmte Themen und in einem konkreten sozialen Feld mit viel Achtsamkeit und sozialen Rahmenbedingungen erzeugen können“. Sein Buch zielt darauf, Konflikte in ihrer Funktion zu würdigen und die Spielräume der Beteiligten in der Modulation von Konflikten zu skizzieren.

In einer Art Grammatik des Konflikts legt er zunächst die Dynamiken dar, die Konflikten innewohnen können. Er unterscheidet dabei zwischen einer sozialen, einer zeitlichen und einer sachlichen Konflikt-Dimension. Auf diese drei Dimensionen hebt auch seine Methode zum Regulieren von Konflikten ab. Regulationskompetenz heißt allerdings für ihn nicht die Fähigkeit, Konflikte im Konsens oder Kompromiss zu lösen. Denn aus systemischer Warte brauchen Konflikte als Antwort keine Lösung, sondern Entscheidungen über ihren jeweiligen Sinn. Solche Entscheidungen sind nicht allein eine Frage des Verstandes, sondern beziehen die gesamt Bewusstheit des Menschens einschließlich seiner Gefühle ein.

Zur guten Konfliktregulation gehört aus dieser Sicht auch „die Wertschätzung für den Widerspruch“. Denn Widerspruch informiert immer über neue Möglichkeiten, die vom System zur Kenntnis genommen werden sollten. Nicht zum empfehlen ist allerdings ein Verzicht auf Konfliktregulation. Ein nicht regulierter Konflikt hat die Tendenz zu wachsen und am Ende sogar zu zerstören. Die neun Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl verweisen darauf.

Und worin genau besteht nun die Kunst des Konflikts aus der Sicht von Eidenschink? Für ihn geht es darum, situativ und sensibel zu entscheiden, wann ein Konflikt geschürt und wann er wie beruhigt werden soll. „In dieser wahrnehmungsbasierten, resonanzgetränkten Entscheidungskompetenz liegt für uns Menschen die Kunst des Konflikts“. Nicht ganz einfach, wie die Kommunikation überhaupt.

Komplexe Welten verstehen

5. Januar 2022

Unsere komplexe Welt besser verstehen“ verspricht der Untertitel von Dirk Brockmanns Buch Im Wald vor lauter Bäumen. Brockmann ist theoretischer Physiker, Mathematiker sowie Professor am Biologischen Institut der Berliner Humboldt Universität. Seine Quintessenz aus der Beschäftigung mit komplexen Phänomenen außerhalb der traditionellen Grenzen der Physik: Die systemischen Prinzipien der Natur spiegeln sich, aus der Makroperspektive betrachtet, in der Gesellschaft. Menschliche Netzwerke folgen den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie die komplexe Natur.

Für systemische Coachs sind Brockmanns Betrachtungen zu Systemen sehr anschaulich, wenn auch nicht ganz neu. Er beleuchtet, wie sich komplexe Öko-Systeme durch Rückkoppelungen selbst organisieren. Durch ausbalancierende Feedbacks erhalten Systeme ihre Eigenschaften. Durch verstärkende Feedbacks können sich aber auch so entwickeln, dass sie an einen Kipppunkt kommen und sich dann irreversibel in ihren Qualitäten transformieren. Hochspannend für den Coach wird es allerdings, wenn Brockmann die Verhaltensmuster in Tierpopulationen und Menschengruppen vergleicht.

Unter dem Motto „Was die Loveparade mit Staren, Heringen und Wanderameisen verbindet“, arbeitet er die Ähnlichkeiten dieser unterschiedlichen Systeme im kollektiven Verhalten heraus. Ein zentrales Prinzip ist die Synchronisation. Jedes Chaos tendiert zu Ordnung durch Angleichung der Muster, wie wir es von Vogel- oder auch Fischschwärmen her kennen. Auch Menschengruppen folgen diesem Gesetz, ohne dabei auf Führung angewiesen zu sein. Doch wie lässt sich diese selbstorganisatorische Ordnung erklären?

Komplexität, so scheint es, muss nicht kompliziert sein. Denn das Prinzip ist ganz einfach. Selbstorganisatorische Ordnung beruht auf der Interaktion und Angleichung kleinster Einheiten, die dann wiederum auf ihr Umfeld wirken. NLP-Anwender umschrieben dieses Vorgehen mit den Begriffen Kalibriren, Pacing und Rapport. Schließlich reagiert das Kollektiv als Ganzes, ganz ohne dass ein „Leittier“ die Richtung vorgibt.

Zwar ist das Schwarmverhalten von Vögeln und das Verhalten von Fußgängern in Gruppen nicht ohne weiteres mit komplexen Entscheidungsfindungen in Teams zu vergleichen. Doch es deuten sich auch für diese Settings einige wichtige gemeinsame Tendenzen ab. Gruppen neigen zu Mehrheitsentscheidungen, wobei neutrale Haltungen in der Regel stärkend für die Mehrheitsentscheidung wirken. Der so entstehende Konsens ist dabei nicht auf den direkten Austausch von Informationen angewiesen, sondern entsteht implizit.

Kollektive Entscheidungen bewähren sich im Allgemeinen stärker als die selbst der besten Teammitglieder, wie beispielsweise Forschungen zu medizinischen Diagnosen in kollegialen Teams zeigen. „Leittiere“ können allerdings die Qualität dieser Mehrheitsentscheidungen wieder verzerren. Denn ihr Eingreifen kann zur Verzerrung der Gruppendynamik führen. Die Zeit scheint gekommen, das Konzept Führung neu zu beleuchten.

Denk- und Lernräume gestalten

28. Juli 2021

Worum geht´s beim Denken, Lernen und Kreativsein? Auf den ersten Blick wohl vor allem darum, den Verstand zu benutzen, über Themen nachzudenken, sie zu erinnern und neu zu vernetzen. Doch wieso sollte bei diesem Vorgang die Umgebung, in der wir denken, eine Rolle spielen? Schon Johann Wolfgang von Goethe hatte darauf eine Antwort.

Goethe war überzeugt, dass die Ausgestaltung eines Raumes, insbesondere seine Farbgebung, einen enormen Einfluss auf die Qualität des Denkens hat. Gelb zum Beispiel sollte für „eine heitere, muntere, sanft reizende“ Stimmung sorgen und die Geselligkeit in seinem Gäste-Salon anregen.

Grün empfahl er dagegen für die persönlichen Räume, bei denen er außerdem besonderen Wert auf die Schlichtheit des Mobiliars legte: „Wenn beide Mutterfarben [Gelb und Blau] sich in der Mischung genau das Gleichgewicht halten, dergestalt, dass keine vor der andern bemerklich ist, so ruht das Auge und das Gemüt auf diesem Gemischten wie auf einem Einfachen. Man will nicht weiter und man kann nicht weiter. Deswegen für Zimmer, in denen man sich immer befindet, die grüne Farbe zur Tapete meist gewählt wird.“

„Im Grunde“, so der Neurowissenschaftler Henning Beck, „sind alle Lernabläufe in unserem Gehirn räumliche Vorgänge, denn die Gehirnregionen, die unser Gedächtnis aufbauen, sind auch daran beteiligt, eine mentale Landkarte unserer Umgebung zu erstellen.“ Walt Disney nutzte dieses Wissen intuitiv, indem er für unterschiedliche geistige Anforderungen jeweils andere Räume wählte. So erschuf er sich einen Kreativraum, einen Raum für realistisches Denken und einen Raum zur Unterstützung des inneren Kritikers.

Auch in agilen Arbeitsweisen wird das Wissen um die räumliche Komponente des Denkens genutzt. Flexibles Mobiliar passt sich beispielsweise unterschiedlichen Arbeitsanforderungen an und lädt zur Kollaboration, der gemeinschaftlichen Lösung von Aufgaben ein. Kreativräume erlauben nicht nur Entspannung, sondern auch das freie Fließen von Inspirationen. Besprechungen finden schon mal stehend statt, anstatt ganz traditionell eine Tischrunde zu wählen.

Aus der Warte des NLP sind Räume immer Anker-Orte, mit denen wir durch Konditionierung bestimmte mentale Zustände und auch Themen verbinden. Das ist vorteilhaft, um an dem jeweiligen Ort schnell die entsprechenden Zustände und Themen zu mobilisieren. Nachteilig ist es jedoch, wenn der Transfer der Themen in andere räumliche Kontexte nicht entsprechend vorbereitet wird. Die NLP-Future Pace-Methode sorgt deshalb dafür, dass das Gehirn die Früchte bestimmter Denk- und Lernvorgänge auch mit anderen räumlichen Kontexte verbinden kann.

Agil oder systemisch?

13. Oktober 2020

Handelt es sich bei der agilen und der systemischen Bewegung um Trends mit andergeartetem Fokus? Stehen beide vielleicht sogar im Widerspruch zueinander? Oder fußen sie auf der gleichen Grundhaltung, auch wenn sie sich auf unterschiedliche Arbeitsbereiche konzentrieren und über jeweils eigene Methoden verfügen? Und wozu interessieren diese Fragen den systemischen NLP-Coach?

Zunächst zur Agilität. Agil sein möchten die meisten, signalisiert der Begriff doch Tempo, Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit. Im Zentrum der agilen Bewegung steht die Absicht, kreative Produkte schnell, flexibel und kundenorientiert zu erzeugen. Agilität hat ihre Heimat in der Produktentwicklung bzw. im Projektmanagement. In ihrem Umfeld sind Werkzeuge wie beispielsweise Scrum entstanden, die jedoch, richtig verstanden, immer auf einer agilen Haltung fußen.

Diese agile Haltung basiert zum einen auf dem Vertrauen in die Selbstorganisation von Einzelnen und Teams, unterstützt durch anregende Arbeitsbedingungen in einem optimalen Umfeld. Zum anderen setzt sie auf eine persönliche Gesprächskultur mit zeitnahen Feedbackschleifen. Diese Art der kommunikativen Zusammenarbeit sprengt das klassische Wasserfallprinzip in linear-hierarchischen Organisationen. Stattdessen lebt sie verschränkte Führungsrollen und häufige Rollenwechsel, um in einer Welt des schnellen Wandels anpassungsfähig zu bleiben.

Nun zum systemischen Denken, das ebenso wie die agile Haltung nicht mit den Werkzeugen der systemischen Methode gleichgesetzt werden kann. Denn eine systemische Grundhaltung prägt auch Methoden wie zum Beispiel das NLP. Systemisches Denken ist ganzheitlich und nichtlinear. Der Handlungsfokus liegt auf zukunftsorientierten Lösungen anstellen von rückwärtsgewandten Problembetrachtungen. Im Zentrum steht auch hier die Fähigkeit von Einzelnen und Teams zur Selbstorganisation und zur Entwicklung neuer, kreativer, den Lösungsraum erweiternder Sichtweisen.

Allerdings haben sich systemisches Denken und die systemischen Methoden in zunächst eher wirtschaftsfernen Kontexten (weiter-)entwickelt. Im Mittelpunkt stand und steht daher die Persönlichkeits- und Teamentwicklung mit Hilfe vor allem kommunikativer Handwerkszeuge. Der bewusst Einsatz von (Körper-)Sprache und von Fragemethoden zur Anregung der Selbstregulation sind wesentliche Bestandteile der systemischen Vorgehensweisen.

Die Frage lautet also nicht: agil oder systemisch? Vielmehr wird es zukünftig darum gehen, beide methoden Welten gezielt zu verzahnen. Der systemische NLP-Coach beispielsweise kann in agilen Arbeitswelten wertvolle Impulse zur Persönlichkeits- und Teamentwicklung setzen, damit die agile Haltung nicht nur zitiert, sondern auch gelebt werden kann. Agile Techniken wiederum bereichen das Spektrum der systemischen Methoden zur Kommunikation, Perspektiverweiterung, Ideenentwicklung und schnellen Anpassung an die Herausforderungen der Zukunft.

 

Bewusst werden und global denken

15. April 2020

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„Wie kann ich Resonanz mit mir und gleichzeitig mit anderen leben“, lautet die Frage, die Gundl Kutschera, die Altmeisterin des deutschsprachigen NLP, seit vielen Jahren bewegt. Als eine der wenigen hat sie die Methode nicht nur konsequent weiterentwickelt. Sie hat auch von Anfang an ein systemisches NLP-Verständnis vertreten. In ihrem aktuellen Buch „Das Jahrhundert des Bewusstwerdens“ zeigt sie, wie Selbstentwicklung als persönliches und zugleich globales Projekt verstanden werden kann.

Wer nach einem NLP-Lehrbuch im klassischen Sinne sucht und einen Überblick über die Methodensammlung des NLP erhalten möchte, für den ist Kutscheras Werk nicht die passenden Wahl. Wertvoll ist Kutscheras Buch aber für diejenigen, die die ganzheitlichen Denkweisen des systemischen NLP verstehen, einordnen und anhand der praktischen Beispiele für sich ausprobieren wollen. Die Kutschera-Fans bringt es zudem auf den neuesten Stand. Denn Weiterentwicklungen wie das Energiemuster-Modell oder das Fünf-Rollen-Modell werden ausführlich vorgestellt.

Aber der eigentliche Gewinn des Buchs liegt in der leichtfüßigen Vermittlung einer das Individuelle und die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft vernetzenden Sicht: Gesundheit und Persönlichkeit, Familie, Gesellschaft, Schule, Wirtschaft, Forschung und Lehre werden miteinander verknüpft. Das Bewusstwerden der Ganzheitlichkeit in diesem Jahrhundert ist ein Prozess, zu dem viele beitragen, beispielsweise Otto Scharmer mit seiner Theory U oder auch die Vertreter der agilen Bewegung. Aber für das NLP darf Gundl Kutschera für sich beanspruchen, diesen Prozess entscheidend gefördert zu haben. Kleiner Wermutstropfen: Ein bisschen werblich ist das Buch stellenweise auch.

 

 

Alle Himmelsrichtungen erfassen

30. September 2019

Wie entstehen ganzheitliche Visionen im Einzelcoaching und im Organisationskontext? Wie können sich Einzelne sowie Teams werteorientiert neu aufstellen und praktische Wege zur Umsetzung bahnen? Auf diese Frage gibt das archetypische Medizinrat in der Gestalt des Organisationskompasses eine moderne methodische Antwort. Die Trainerin und Coachin Isabella Klein zeigt in ihrem gerade erschienenen Buch, wie der Organisationskompass als Reflexionsrahmen in vielerlei Kontexten nutzbar ist.

Der Organisationskompass, das zentrale Tool der Genuine Contact-Methode nach Birgitt Williams, spiegelt vier archetypische Denkweisen, klassisch benannt nach dem Krieger, dem Seher, dem Heiler und dem Lehrer. Auf Grundlage dieser Archetypen können Analysen erstellt und ganzheitliche individuelle sowie kollektive Erneuerungsprozesse angeleitet werden. Beim (gemeinsamen) Wandern durch den Organisationskompass zeigen sich Stärken und Entwicklungsbedarfe. Die neu gewonnene Klarheit steigert zugleich die Akzeptanz für eine Veränderung.

Jede Reise durch den Organisationskompass beschäftigt sich mit der Frage „Wo bin ich/sind wir stark?“. Sie beginnt im Zentrum des Medizinrats, das somit die Sinnhaftigkeit in den Mittelpunkt stellt: „Für welchen Sinn stehe ich/steht unsere Organisation?“ In einem nächsten Schritt geht es in den Norden, der die eigene Werteausrichtung klärt. „Wofür übernehme(n) ich/wir Verantwortung?“

Gleich danach führt der Weg in den Osten, die Himmelsrichtung für Visionen, Ziele und Strategien: „Was ist mein/unser Zukunftsbild? Welcher Weg führt dahin? Welche kurz-, mittel- und langfristigen Ziele ergeben sich daraus?“ Im Süden, dem Symbol für das Thema Gemeinschaft und Kommunikation, wird schließlich die Frage nach den passenden Unterstützern bei der Umsetzung der eigenen Aufgabe gestellt. Der Westen, die letzte der zu erwandernden Himmelsrichtungen, repräsentiert die Strukturen und Prozesse zur Umsetzung der Vision.

Neben dem Zentrum und den vier Himmelsrichtungen gibt es noch einen weiteren Faktor, den der Organisationskompass hervorhebt: „Wie pflege(n) ich/wir die Beziehungen zu den Menschengruppen, die für meine/unsere Aufgabe wichtig sind?“ Das Stichwort Beziehungen durchwebt alle Aspekte des Medizinrats und sorgt dafür, dass alle Himmelsrichtungen sowie alle Beziehungsgruppen im Inneren sowie Äußeren in Ausgleich kommen.

So erzeugt die Reise durch den Kompass ein sehr anschauliches und zugleich umfassendes Gesamtbild der aktuellen Situation mit konkreten Hinweisen auf die notwenigen Schritte. Das Buch liefert eine praktische Anleitung für alle Anwendungsbereiche des Himmelsrades. Klien unterstützt bei der Konzeption und Durchführung von Einzelcoachings ebenso wie beim Teamcoaching oder bei der Begleitung einer gesamten Organisation. Fallbeispiele zeigen, welche Entwicklungen mit diesem Tool angestoßen werden können.

Lineare Bahnen verlassen

1. Juni 2017

Systemisch-vernetztes Denken und Handeln gehört zum klassischen Repertoire eines Coachs. Doch auch in kreativen Professionen wie Design ist das Denken in Netzwerken und das Agieren außerhalb der bekannten linearen Bahnen angekommen. In seinem Buch Network Thinking bietet Ulrich Weinberg, Leiter der Potsdamer School of Design Thinking, eine Vielzahl anschaulicher Beispiele, wie isoliertes Expertenwissen intelligent mit dem kreativem Input von Außenseitern vernetzt werden kann. 

Die Methode Design Thinking regt dazu an, abgegrenzte Fachgebiete wieder miteinander zu verknüpfen und das klassische Kästchendenken, von Weinberg Brockhausdenken genannt, durch Netzwerkdenken zu ersetzen. Netzwerkdenker erkennen und entwickeln ungewöhliche Verknüpfungen und schaffen damit die Basis für außergewöhnlich kreative Lösungen. Experten Know-how dagegen tendiert dazu, alte Denkschablonen zu aktivieren und Fachgrenzen nicht zu überschreiten.

Lineare Bahnen verlässt Network Thinking auch im Umgang mit Hierarchien. Durchlaufen Aufgabenstellungen die hierarchischen Filter einer Organisation, geht an vielerlei Stellen Kreativität verloren. In Organisationen mit flachen Hierarchien und partizipativen Strukturen können Wissen und Ideen aus den unterschiedlichsten Perspektiven und Jobkonstellationen zusammenfließen.

Eine weitere Einsicht des Network Thinking: Gute Lösungen entstehen selten aus einem Guss. Besser bewähren sich Produkte und Ideen, die durch iterative Prozesse entwickelt worden sind. Interation beschreibt das Herantasten an Lösungen durch wiederholten Versuch, Irrtum und entsprechende Korrekturen. NLP-Anwender nennen einen solchen Vorgang Feedbackschleifen-Lernen. Iterative Lösungen sind organisch und fügen sich leicht in ihr Systemumfeld ein.

Network Thinking regt dazu an, die Sicherheit linearer Bahnen zu verlassen und mutig bislang isoliert voneinander betrachtete Lebens- und Wissensbereiche zu verbinden. Ob dieser Ansatz allerdings allen Experten gefallen wird, ist eine andere Frage.

 

 

 

Führen in der VUCA-Welt

3. April 2017

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Eine neue Welt ist entstanden. Ohne Masterplan und ohne unsere bewusste Entscheidung sind wir inzwischen alle Bewohner von VUCA, einer durch digitale Verflechtungen und schnelle Warenflüsse hochgradig beschleunigten Welt. VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexitiy und Ambiguity, und in der VUCA-Welt nimmt der uns bekannte Grad der Steuerbarkeit von Prozessen dramatisch ab. Welche Konsequenzen hat das für Führung und Coaching?

Zunächst zum Begriff: Das V in VUCA repräsentiert die Unbeständigkeit und die hohe Schwankungsbreite, die durch die Dynamik des Wandels entstanden ist. Egal um welche Trends es sich handelt, ob an der Börse, in der Politik oder in anderen Lebensbereichen: Mit schnellen Umschwüngen muss gerechnet werden. Diese Volatilität führt nachvollziehbarerweise zu einer hohen Ungewissheit, dem U in VUCA. Denn wie kann man planen, wenn Themen und Ereignisse sich überschlagen?

Komplexität, repräsentiert duch das C (Complexity), war immer schon zentrales Merkmal des Systemischen. In der VUCA-Welt aber verdichtet sie sich. Optionenvielfalt und Multikomplexität in Gesellschaften sowie Unternehmen sind eine Folge. Eine andere Folge aber sind Chaos und Verwirrung. Beispielsweise können immer häufiger lokale Ereignisse zu Krisen im Weltmaßstab führen. Planung und das Voraussehen von Auswirkungen werden daher immer schwieriger.

A für Ambiguity steht für Mehrdeutigkeit: Weil sich keine Ursache-Wirkungszusammenhänge mehr abzeichnen, erscheint die Verbindung  zwischen Handeln und Wissen immer verwirrender. Häufige Fehlinterpretationen und Missverständnisse sind die Folge. Zudem steht in Frage, was nach allgemeinem Verständnis als wahr gelten darf. Alternative Fakten sind ein typischer Ausdruck dieser Ambiguität.

Die Welt, wie wir sie bislang kannten, verändert ihre Gestalt. Neue Antworten und Fähigkeiten müssen sich entwickeln, um mit diesem Wandel umgehen zu können. Für Unternehmen bedeutet VUCA sprunghafte Innovationen, verkürzte Produkt- und Marktlebenszyklen, ein schneller Verfall alten Wissens sowie eine insgesamt beschleunigte Dynamik. Vor allem mentale Agilität, Generalistentum und die Fähigkeit zum schnellen Wandel werden erforderlich sein, um mit dieser Beschleunigung umzugehen.

Daher wandelt auch Führung radikal ihr Gesicht. Lineare, hierarchisch geprägte Vorgehensweisen und Strukturen treten zurück hinter agilen, selbstgesteuerten Prozessen. Führungskräfte werden zunehmend zu Teambegleitern, Prozessmoderatoren und Coachs. Denn ihre Aufgabe wird es sein, die Rahmenbedingungen für die Selbstorganisation der Einzelnen und des Teams zu gewährleisten. Naturgemäß steht ihr Handeln unter dem Gebot der  Organisation des schnellen Wandels. Aber nicht zuletzt werden sie auch als Stabilitätsanker für die Menschen in Unternehmen dienlich sein müssen.

Was bedeutet nun VUCA für das Coaching im Allgemeinen und das Coaching von Führungskräften im Besonderen? Ganz offensichtlich nehmen die Anforderungen sowie Belastungen in der VUCA-Arbeitswelt zu. Coaching eröffnet einen Lernraum für Selbstorganisation und befähigt den Einzelnen, sebstbestimmt und emotional geklärter mit dem schnellen Wandel umzugehen. Dem Führungskräftecoaching wiederum kommt verstärkt die Aufgabe zu, Menschen in verantwortlichen Positionen in der Auseinandersetzung mit Unbeständigkeit, Unsicherheit, verwirrender Komplexität und Ambiguität zu spiegeln und zu klären.

Mit Selbstführung zum Ziel

3. Oktober 2016

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„Die besten Voraussetzungen, erfolgreich mit beruflichen Herausforderungen umzugehen, liegen“, so der  Psychologieprofessor Günter F. Müller und der Unternehmehnsberater Walter Braun, „im Menschen selbst.“ Mit ihrem Buch Selbstführung. Wege zu einem erfolgreichen und erfüllten Berufs- und Arbeitsleben möchten sie zeigen, wie Menschen durch die Selbstführung ihrer inneren Bilder, Gedanken und Motive Ziele erreichen und zugleich gesund bleiben können.

Das Konzept der Selbstführung, eng verknüpft mit systemisch-ganzheitlichem Denken, moderner Neurobiologie und Positiver Psychologie, geht davon aus, dass nachhaltige Motivation nur intrinsisch entwickelt werden kann: Ziele, Visionen und intrinsische Zielreize treiben den Menschen voran. Darüber hinaus ist emotionale Achtsamkeit  und aktives Emotionsmanagement notwendig, um leistungsförderliche Gefühle und körperliche Bedürfnisse in Balance zu bringen.

Doch Selbstführung ist kein „Selbstläufer“. Selbstführungskompetenz will nicht nur trainiert werden. Sie stellt auch einige Vorannahmen über die Rolle des Mitarbeiters sowie der Führungskraft in Frage. Selbstführung ist daher auch Selbstentwicklung und Ausrichtung auf die neue Eigenverantwortlichkeit. Externes Coaching, aber auch der entwicklungsorientierte Führungsstil, stellen wertvolle Hilfen auf diesem Weg dar.

Welche Bedingungen müssen noch gegeben sein, damit Selbstführung im Unternehmenskontext gelingt? Müller und Braun fordern zur selbstführungsgerechten Organisationsgestaltung neben einer neuen Führungsphilosophie vor allem dezentrale Strukturen und eine Deregulierung ein. Mit zahlreichen Checklisten und Test ausgestattet, ist ihr Buch praktisch und anwendungsorientiert: Die bewusste Selbstführung kann beginnen.