Rollenwechsel in der Führung

13. März 2023

„Situativ und verantwortungsvoll führen“ lautet der Untertitel zu Regina Mahlmanns Buch zum gezielten Einsatz von Führungsstilen und -Methoden. Und damit markiert die Trainerin und Beraterin von Führungskräften bereits, welche Führungsqualitäten für sie im Vordergrund stehen. Gute Führung sollte sich immer flexibel an den individuellen Umständen, vor allem an den persönlichen Möglichkeiten der Mitarbeitenden orientieren. Nicht der optimale Führungsstil, sondern der bewusste Umgang mit der Verantwortung für die Geführten steht für sie im Mittelpunkt.

Regina Mahlmann bietet einen guten Überblick für alle, die sich in der Welt der Führung jenseits von Moden und Trends zurechtfinden wollen. Sie kreist sechs verschiedene Führungsstile ein, von denen sie die ersten vier, das Autoritäre Führen, das Kooperative Führen, das Situative Führen und das Laisser-faire-Führen, als Klassiker markiert. Denn alle vier klassischen Führungsstile sind nach wie vor im Gebrauch.

Im Verlaufe der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der klassische Kanon dann durch das Systemische und das Symbolische Führen ergänzt. Mit diesen Schritten traten aber nicht nur weitere gleichberechigte Stile des Führens in die Welt. Insbesondere das Systemische Führen hat bewirkt, dass wir die Rolle der Führungskraft heute in einem radikal neuen Licht interpretieren können.

Während bei den klassischen Stilen Führen bedeutet, von außen Einfluss auf die Mitarbeitenden zu nehmen, ist im systemischen Denken die Führungskraft zugleich Mitglied des von ihr zu führenden Systems. Regina Mahlmann: „Im systemischen Szenarium ist die Führungskraft drinnen, ein Teil des systemischen Zusammenhangs und des Zusammenspiels seiner Komponenten. Sie wirkt und bewirkt. Sie beeinflusst und wird beeinflusst.“

Zwar löst das Systemische Führen nicht automatisch die Über- und Unterordnung von Führungkraft und Mitarbeitenden auf, relativiert sie jedoch in der Absolutheit, wie wir sie aus den klassischen Führungsstilen kennen. Die Führungskraft wird für Mitarbeitende mehr und mehr zum Modell, das nicht zuletzt durch vorbildliches Handeln führt. Mit diesem Schritt setzt die Entwicklung einer vollständig neuen Führungsidee ein. Denn wenn Führende als Teile des Systems modellhaft wirken, dann erweitert sich der Raum für die (Selbst-)Führung der Mitarbeitenden.

Führung wird relativ. Sie löst sich von der Position des Führenden hin zu seiner Person. Parallel dazu treten auch die Mitarbeitenden als Menschen in den Vordergrund, die es durch sensible Führung zu entwickeln gilt. Systemisch führenden Führungskräften kommt so mehr und mehr die Aufgabe zu, die Mitarbeitenden zur (Selbst-)Führung zu befähigen. Das entwicklungsorientierte, coachende Führen löst diesen Anspruch am besten ein.

Konsequent zu Ende gedacht, kann sich Führung schließlich auch von der Idee der hierarischen Über- und Unterordnung lösen. So hat sich inzwischen aus dem systemischen Gedanken das noch radikalere Konzept der Selbstführung bzw. Selbstorganisation ganzer Unternehmen entwickelt. Führung wird im komplett selbstorganisatorischen Rahmen zu einer Dienstleistung, die fallbezogen zwischen Personen wechseln kann.

Vielleicht wider Erwarten erledigt sie sich dadurch nicht selbst, sondern wechselt nur den Fokus. Denn eine systemische Führungskraft ist nicht mehr, wie in den klassischen Stilen, übergeordneter Prozesssteuerer und inhaltlicher Experte, sondern vielmehr Menschenentwicklerin und entwicklungsorientierte Kommunikatorin.