Worte, die wirken

14. Mai 2024

Mit Worten Wunder bewirken? Das ist das Programm der vom Psychologen Willem Lammers begründeten Logosynthese. In seinem Buch Selbstcoaching mit Logosynthese führt er anschaulich und praktisch in die Grundlagen der Veränderungsarbeit mit seiner Methode ein. Es gelingt ihm elegant und kompakt, Laien die neurobiologischen Hintergründe beim Verändern mentaler, emotionaler sowie physischer Zustände zu vermitteln und sie mit seinem Handwerkszeug zu kompetenten Selbstentwicklern zu machen.

Die Logosynthese integriert Aspekte aus dem NLP, der Hypnotherapie sowie der Transaktionsanalyse und der Energetischen Psychologie. In den Mittelpunkt stellt sie dabei den griechische Begriff Logos, der sowohl für das Wort als auch den Sinn sowie das geistige Vermögen und die Vernunft steht. Logos wiederum ist eng verwandt mit dem, was Lammers die Essenz nennt, das wahre Wesen des Menschen, das seiner Auffassung nach nicht verloren gehen, sondern nur vergessen werden kann.

Die Essenz ist das, was den Menschen über seinen Körper, seinen Geist und seine Erfahrungen und Erlebnisse hinaus zu einem einzigartigen Individuum macht. Logosynthese zielt darauf, das Bewusstsein des Menschen über seine Essenz wiedererlangen zu lassen. Denn diese ist den meisten von uns im Verlaufe unserer Sozialsierung durch Verinnerlichung fremder Konzepte und Abspaltung eigener Energien verloren gegangen.

Durch Logosynthese kann sich der Menschen wieder mit seiner Essenz verbinden. Und drei einfache Sätze helfen ihm dabei, sich von dem zu lösen, was nicht zu einem selbst gehört:

  • Ich nehme all meine Energie, die gebunden ist an mein Thema, an den richtigen Ort in mir selbst zurück.
  • Ich entferne alle Fremdenergie im Zusammenhang mit diesem Thema aus allen meinen Zellen, aus meinem Körper und aus meinem persönlichen Raum und schicke sie dorthin zurück, wo sie wirklich hingehört.
  • Ich nehme alle meine Energie, die gebunden ist in allen meinen Reaktionen auf dieses Thema an den richtigen Ort in mir selbst zurück.

Die Essenz ist selbstverständlich nur eine Idee, kein beweisbares Konzept. Doch bei der mental-emotionalen Selbstorganisation und Herausbildung sowie Stärkung der eigenen Identität erweist sie sich von großem Nutzen. Denn die Überzeugung von der Existenz einer eigenen Essenz erleichtert es, sich von Gedanken und Emotionen zu lösen, die behindernd und einschränkend sind.


Ego-States im NLP

4. April 2024

In seinem Buch Integratives Ego-State-Coaching mit emTrace stellt der Trainer und Coach Dirk Eilert seinen Ansatz zur Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen vor. Auch wenn die verwendete Begriffswelt eine neue Methodik suggeriert, handelt es sich bei den von ihm beschriebenen Konzepten im Kern um die klassischen NLP-Ideen zur Teilearbeit. Der systematische Aufbau und die Verweise auf relevante aktuelle Erkenntnisse der Neurobiologie machen das Buch aber lesenswert.

Das NLP-Teilemodell geht davon aus, dass der Mensch aus unendlich vielen Teilen besteht, zum Beispiel aus Körper, Seele und Geist. Bei der Teilearbeit geht es darum, eine Kommunikation zwischen den unbewussten Teilen herzustellen, die in Spannung zu bewussten Teilen stehen. Eilert differenziert dieses Konzept durch die Aufteilung in ressourcereiche, verletzte und destruktiv-verletzende Persönlichkeitsanteile, die Ego-States genannt werden. Da diese, wie man heute weiß, in jeweils unterschiedlichen neuronalen Netzwerken gespeichert sind, wissen die Teile oft nur wenig oder nichts voneinander.

Der Wechsel eines Mensch von einem Teile-Zustand oder Ego-State in einen anderen geht daher – von außen sichtbar – oft mit einem kompletten Physiologiewechsel einher. So gibt es jüngere verletzte Persönlichkeitsanteile oder Ego-States, die nicht von den Lernerfahrungen anderer Ego-States ein und derselben Person profitieren können. Der eigene Selbstwert beispielsweise kann je nach aktiviertem Ego-State anders wahrgenommen werden.

Für den Coaching-Erfolg spielt der Appell an die ressourcereichen Persönlichkeitsanteile des Klienten eine bedeutsame Rolle. Sie stabilisieren den Gesamtzustand und ermöglichen, mutige Schritte in eine neue Richtung zu gehen. Hier erweist sich auch die Wirksamkeit des NLP-Modelings. Denn im Außen wahrgenommene Positivmodelle können zu ressourcestarken inneren Mentoren werden. Eilert nennt das den „Batman-Effekt“. Er empfiehlt – klassisch NLP-isch – ressourcereiche Ansteile stark assoziiert zu erleben, während bei ressourcearmen eine dissoziierte innere Haltung hilfreich ist.

NLP-Methoden wie die Change-History-Timeline, der Re-Imprint, das Six-Step-Reframing und die Core Transformation erweisen sich als besonders hilfreich, um die jüngeren verletzten Persönlichkeitsanteile mit erwachsenen Ego-States neuronal zusammenzuschalten und in die Gesamtpersönlichkeit zu integrieren. Eilert arbeitet außerdem mit Brain-Spotting und mentalen Aufstellungen. Begleitend setzt er Emotionsregulations-Techniken wie Klopfinterventionen, Schultertapping (wie aus wingwave bekannt) und mentale Aktivierungen, zum Beispiel durch Rückwärtszählen, ein.

Wer als Anwender wissen will, warum die klassischen NLP-Methoden so erfolgreich sind, findet in diesem Buch eine Fülle an nützlichen Hinweisen. Wer sich dagegen das integrative Ego-State-Coaching mit emTrace per Buch erschließen will, wird einige Mühe damit haben. Die Arbeit mit den von Eilert aufgeführten destruktiv-verletzenden Persönlichkeitsanteilen, dies sei zum Schluss noch erwähnt, gehört selbstverständlich nicht in die Hände von Coachs.


Wieso eigentlich Life Coaching?

29. Februar 2024

Als systemische-ganzheitlicher Coach fragt man sich: Was genau ist eigentlich Life Coaching? Und ist Coaching im Business-Umfeld der Gegenbegriff zum Life Coaching? Oder hängt es von den Zielgruppen ab, ob sich ein Coaching als Life Coaching qualifiziert? Scannt man die Medien und Social Media-Kanäle, gibt es nicht nur sehr unterschiedliche, sondern auch widersprüchliche Antworten darauf. Da Life Coaching in der Öffentlichkeit vieldiskutiert und durchaus umstritten ist, lohnt sich ein Blick auf diese Fragen.

Im einfachsten Sinne unterscheidet sich das Life Coaching von anderen Coaching-Formen durch den Fokus auf das Privatleben von Menschen. Selbstzahler stellen naturgemäß ihre persönliche Entwicklung in den Mittelpunkt. Systemisch-ganzheitlich gedacht, lassen sich dabei die beruflichen Aspekte ihrer Persönlichkeit nicht ignorieren. Der Sinn eines Coachings ergibt sich ja gerade aus einer erweiterten Sichtweise, die Themen aus alten „Schubladen“ holt. Der Inhalt des Coachings kann also nicht der zentrale Unterschied zwischen Life und Business Coaching sein.

Wenn nicht das Thema entscheidet, ist dann Life Coaching die Bezeichnung für ein Selbstzahler-Produkt, während Business Coaching als B2B-Leistung verstanden werden darf? Diese Begriffsabgrenzung klingt sinnvoll. Für viele leitet sich jedoch daraus ab, dass ein Business Coaching die Persönlichkeitsentwicklung ausspart. Ein vom Arbeitgeber bezahltes Coaching sollte natürlich kein reines Goody sein, sondern eine Leistung, die der beruflichen Performance dient. Doch genauso wenig wie Life Coaching in der Regel ohne die Berufswelt funktioniert, kann Business Coaching aus systemischer Warte ohne die private Seite des Klienten gelingen.

Daraus ergibt sich der nächste Punkt: Für den systemischen NLP-Coach versteht sich die ganzheitliche Sicht auf den Menschen von selbst. Doch die Diskussion um das Stichwort Life Coaching offenbart, dass es stark davon abweichende methodische Ansätze gibt. Auf das, was für viele Life Coachs die Definition von Coaching ausmacht, nämlich die Beratung von Menschen, verzichten systemische Coachs ganz. Denn ihr Ziel ist die lösungs- und zukunftsorientiert Selbstorganiation. Um Klienten nicht in Abhängigkeiten zu bringen, fördern sie konsequent die Selbstführung und machen sich durch ihre Dienstleistung möglichst schnell überflüssig.

Die Fähigkeit zur Förderung der Selbstorganisation erwerben Coachs in einem intensiven Training. Sie durchlaufen eine fundierte Ausbildung, die psychologische und kommunikative Skills umfasst und auch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit einschließt. Das breite methodische Instrumentarium, das systemischen Coachs nutzen, hat sich seit Jahrzehnten auch im therapeutischen Umfeld bewährt.

Hier schließt sich der Kreis: Life Coaching als Beratung im privaten Umfeld ist kein klar abgegrenztes Konzept, sondern ein Mode-Marketing-Begriff. Vielen reicht es sogar, selbst persönliche Krisen bewältigt zu haben, um als Coach vor Menschen zu treten. Ein Life Coach kann auf beliebiger Werte- und Methodengrundlage agieren und sein Rollenverständnis selbst entwickeln. So gibt es Life Coachs, die in Zweier-Settings coachen, aber auch solche, die im Guru-Stil ein paar Tausend Menschen von der Bühne aus mit Affirmationen und Tipps versorgen. Life Coaching wird so zu allem, wofür es gerade keinen attraktiveren Namen gibt.

Versteht man Coaching dagegen in Abgrenzung zur Beratung als Begleitung bei der Selbstorganisation, dann kommt dem Coach ein klar umrissenes Rollenbild zu: Als geschulter Begleiter von Einzelne und Teams geht er immer individuell und persönlich vor. Den Coaching-Prozess führt er nicht auf der Inhaltsebene, sondern als Prozess-Verantwortlicher. Seine Methode setzt er ein, um dem Klienten die Selbstklärung zu ermöglichen und sein Vertrauen in die eigenen Kompetenzen zu stärken.

Fazit: In der Öffentlichkeit existieren neben dem seriösen Coaching, für das hier beispielhaft das systemische NLP-Coaching genannt wurde, Life Coaching-Konzepte, die sich zum Teil aus dem Bereich der Küchenpsychologie nähren. Daher empfiehlt sich ein kritischer Umgang mit dem, was Coaching und insbesondere Life Coaching heißt. Viele Medienbeiträge tragen leider nicht zur Differenzierung bei, sondern werfen seriöse Coachs in einen Topf mit Bühnen-Gurus. Umso erfreulicher, dass im Bereich des Business Coachings zwischen Kunden und Anbietern weitgehend Klarheit über die Qualität fundierter Coachings herrscht.


Kein lebendes System ohne Konflikt

12. Februar 2024

Konflikte kosten Kraft. Sie wühlen auf und stören die Ruhe, die wir uns im Alltäglichen wünschen. Doch geht es auch ohne Konflikte? Oder führt die Kunst des Konflikt zumindest zu einem schnellen Ende von Auseinanderstetzungen und Streit? Wohl eher nicht. Denn nach Auffassung des Trainers und Coachs Klaus Eidenschink braucht „die soziale Ordnung in Gruppen und Organisationen […] Konflikte, um sich ständig zu erneuern und damit zu reorganisieren.“

Eidenschink beschreibt den Konflikt als das, was passiert, wenn soziale Systeme in Bewegung kommen und stabile Strukturen hinterfragt werden. Aus systemischen Sicht sind Konflikte eigentlich der Normalfall, während „Konsens, Frieden und Verständigung Zustände sind, die wir Menschen für eine gewisse Zeit, für bestimmte Themen und in einem konkreten sozialen Feld mit viel Achtsamkeit und sozialen Rahmenbedingungen erzeugen können“. Sein Buch zielt darauf, Konflikte in ihrer Funktion zu würdigen und die Spielräume der Beteiligten in der Modulation von Konflikten zu skizzieren.

In einer Art Grammatik des Konflikts legt er zunächst die Dynamiken dar, die Konflikten innewohnen können. Er unterscheidet dabei zwischen einer sozialen, einer zeitlichen und einer sachlichen Konflikt-Dimension. Auf diese drei Dimensionen hebt auch seine Methode zum Regulieren von Konflikten ab. Regulationskompetenz heißt allerdings für ihn nicht die Fähigkeit, Konflikte im Konsens oder Kompromiss zu lösen. Denn aus systemischer Warte brauchen Konflikte als Antwort keine Lösung, sondern Entscheidungen über ihren jeweiligen Sinn. Solche Entscheidungen sind nicht allein eine Frage des Verstandes, sondern beziehen die gesamt Bewusstheit des Menschens einschließlich seiner Gefühle ein.

Zur guten Konfliktregulation gehört aus dieser Sicht auch „die Wertschätzung für den Widerspruch“. Denn Widerspruch informiert immer über neue Möglichkeiten, die vom System zur Kenntnis genommen werden sollten. Nicht zum empfehlen ist allerdings ein Verzicht auf Konfliktregulation. Ein nicht regulierter Konflikt hat die Tendenz zu wachsen und am Ende sogar zu zerstören. Die neun Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl verweisen darauf.

Und worin genau besteht nun die Kunst des Konflikts aus der Sicht von Eidenschink? Für ihn geht es darum, situativ und sensibel zu entscheiden, wann ein Konflikt geschürt und wann er wie beruhigt werden soll. „In dieser wahrnehmungsbasierten, resonanzgetränkten Entscheidungskompetenz liegt für uns Menschen die Kunst des Konflikts“. Nicht ganz einfach, wie die Kommunikation überhaupt.


Lernen wie ein Künstler

12. Januar 2024

Der Weg des Künstlers von Julia Cameron, erschienen im Jahr 1992, gilt als Klassiker für alle Künstler, die ihre kreativen Barrieren überwinden wollen. Auch nach über vierzig Jahren lohnt sich die Lektüre, und zwar nicht nur für künstlerisch ambitionierte Menschen.Für alle, die inspiriert durch ihr Leben gehen wollen, bietet das Buch ein dreimonatiges Selbstcoaching-Programm an, das nicht an Aktualität eingebüsst hat. Im Gegenteil. Denn nicht Selbstoptimierung, sondern Selbstentwicklung ist das Ziel.

Konnten Leser sich im Jahr 1992 noch am Untertitel „Ein spiritueller Pfad zur Aktivierung unserer Kreativität“ reiben, erscheinen aus der Warte der modernen neurobiologischen und systemischen Forschung viele Ideen und Denkrahmen der Autorin heute jenseits der Spiritualität als taugliche Metaphern, um Lesern die passende Haltung für einen kreativen Umgang mit dem eigenen Unbewussten nahezulegen. Denn der freie Fluss der Ideen setzt Vertrauen in das Leben und in die eigenen kreativen Quellen voraus.

Das Hauptwerkzeug der Autorin, das morgentliche Journaling, hat sich nicht nur bewährt, sondern ist inzwischen zur Grundtechnik vieler anderer Programme geworden. Zum Beispiel empfiehlt auch Otto Scharmer, der Entwickler der integrativen Moderationsmethode Theory U, die Methode. Viele weitere Techniken und Geisteshaltungen hat Cameron zwar nicht erfunden, doch sinnvoll in ihrem Leitfaden zusammengetragen. Dazu gehören die Arbeit mit dem „inneren Künstlerkind“, die Arbeit mit Träumen, die Lösungsorientierung inklusive Wunderfrage, das Erkunden von Glaubenssätzen und die Ausrichtung an Bildern als Schlüssel zur Kreativität.

„Wenn Du an Deiner Kunst arbeiten möchtest, dann arbeite mit Dir selbst.“ Mit diesem Tschechow-Zitat bringt Cameron auf den Punkt, weshalb es sich für jeden lohnt, in die Selbstentwicklung zu gehen. Allein das Selbst liefert die sinnlichen Informationen, die nötig sind, um sich im Leben zu orientieren. Als (Lebens-)Künstler, so Cameron, sollten Menschen daher lernen, „für sich selbst gut zu sorgen“. Sonst trocknet ihr kreativer Energiepool aus. Ihre Empfehlung: Ein wöchentlicher „Künstler-Treff “ mit sich selbst.

Wofür ein „Künstler-Treff“, wird sich der künstlerisch weniger ambitionierte Leser zunächst fragen. Doch schnell wird deutlich, wie wirkungsvoll und befreiend es wirken kann, wenn wir uns regelmäßig Zeit für Inspiration lassen. Denn Selbstverwirklichung, ob als Künstler oder Alltagsmensch, besteht nicht im Abarbeiten eines an Pflichten orientierten und auf Perfektion ausgerichteten Programms. Der „innere Künstler“ will spielen wie ein Kind und sich von Ideen finden lassen.

Eine wichtige Mahnung an alle, die sich auf das Programm einlassen wollen: Der Weg des (Lebens-)Künstlers ist nicht eben, sondern wirft innere Blockaden, mitunter starke Emotionen und viele Veränderungen auf. Nur das Dranbleiben stellt sicher, dass der Weg erfolgreich sein wird. Erfolg besteht jedoch, das macht Cameron mit einem Zitat deutlich, nicht in einem messbaren Ergebnis. „Ein Gemälde ist nie fertig. Es endet einfach an einem interessanten Punkt.“


Raus aus dem Führungs-Kampf

22. November 2023

Mehr Leichtigkeit im Führungsalltag verspricht der Trainer und Coach Michael Jahn mit seinem Buch Wahre Führungskraft. Zu diesem Zweck identiziert er zehn typische Kämpfe, in die sich Führungskräften in ihrem Alltag involvieren, vom Kampf mit der eigenen Organisation über den Kampf mit der Zeit bis zum Kampf mit dem Privatleben sowie mit dem Feind im eigenen Kopf. Die Überschrift seines Vorworts fasst den wichtigsten Schritt zur wahren Führungskraft zusammen: Raus aus diesem Kampf! Doch wie soll das gehen?

Für Jahn ist es die eigene Einstellung, die den Unterschied macht. Wer sich für das Führen entscheidet, weil er Menschen und Kommunikation liebt, ist bestens aufgestellt. Wer jedoch eigentlich als Experte agieren will, empfindet Führen womöglich als immerwährende Auseinandersetzung. Wer akzepiert, dass Führen grundsätzlich vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen stattfindet, kann mit den Engpässen des Alltags kreativ umgehen. Wer jedoch auf eine Organisation ohne begrenzende Faktoren hofft, der hat schon verloren.

Und so geht es weiter durch die verschiedenen Kampfgebiete, zu denen zum Beispiel auch der Umgang mit unkooperativen Chefs und Mitarbeitenden sowie der eigene Anspruch an Souveränität und Perfektion gehören. Michael Jahns zentrales Rezept: Klarheit, Gelassenheit und Offenheit. Mit einer entspannten Haltung, einer guten Portion Vertrauen in das Leben und einem Gespür für gute Kommunikation wird Führung vom Kampf zu einem herausfordernden Spiel. Und ein Spiel soll sie am Ende auch bleiben. Denn der Job als Führungskraft ist nur ein Teil des Lebens, nicht das Leben schlechthin.

Jahns Leistung: Ein ausgesprochen realistisches Buch, das keine Wunder verspricht, sondern vielmehr uneinlösbare Ansprüche jedes Einzelnen an die Führungstätigkeit enttarnt. Ausdruck guter Führung ist eben die Fähigkeit, sich selbst zu führen.


Vom Leader zum Heiler?

5. Oktober 2023

Ist der „Leader As Healer“ das neue Paradigma der Führung im einundzwanzigsten Jahrhundert? Der Business Trainer und Coach sowie ehemalige Theaterdirektor Nicholas Janni fordert von Führungskräften, die verloren gegangene Einheit zwischen zwischen Mensch und Natur, zwischen Denken und Fühlen sowie rationalen und empathischen Sichtweisen durch gezielte Führung wiederherzustellen: „The times call us urgently to correct the normalization of chronically imbalanced ways of thinking and functioning.“

Sein Ziel: Eine Wiederankoppelung des rationalen Menschen an seine körperlichen, emotionalen und transpersonalen Aspekte: „We relocate from the identiy of ´I as a thinker´ to ´I as Presence who thinks, feels and senses.´“ Wichtigestes Werkzeug in diesem Prozess ist für Janni die Wahrnehmung, sodass Meditation und Achtsamkeits- sowie Embodiment-Übungen im Mittelpunkt seiner Praxisempfehlungen stehen.

Aber auch die Werteorientierung der Führung, der angestrebte Purpose, sind für ihn von entscheidender Bedeutung. Welchem Zweck dient das eigene Führungshandeln und inwiefern zahlt dieses Handeln auf das Wohl der Gemeinschaft ein? Janni plädiert für eine holistische Sicht auf Wirtschaftsprozesse und reiht sich damit in die Riege der integralen Wirtschaftsdenker nach Laloux ein.

Sicherlich ist es an der Zeit, den von Janni geforderten mentalen Wandel in der Welt einzuläuten und als Führungskraft die nötige Transformation durch die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu stützen. Doch die Heilung eines Paradigmas, das seit über fünfhundert Jahren prägend für unser Denken ist, kann nur gesamtgesellschaftlich gelingen. Führung braucht überdies mehr als nur Führungspersönlichkeit. Erfolgreich können neue Führungskräfte nur sein, wenn es ein systemisches Wechselspiel zwischen Führungsstil sowie Strukturen und Prozessen in einer Organisation gibt.

Alles in allem spricht das Buch wichtige Themen an und kann Führungskräften als wertvolle Inspiration und praktische Anregung im Führungsalltag dienen. Doch Jannis Idee von der Führungskraft als Heiler überhöht die Rolle des meditierenden Leaders und verstellt den Blick auf die Komplexität des notwendigen Wandels.


Gut orientiert mit der Führungslandkarte

6. September 2023

Insbesondere Newcomer in der Führung suchen nach Orientierung, um in die neue Rolle schnell hineinzuwachsen und der Komplexität der Führungsaufgaben jenseits von Modetrends gerecht zu werden. Für systemisch interessierte Führungskräfte gibt es einen hervorragenden Leitfaden, der durch den „Dschungel der Führung“ lotst: die Führungslandkarte bzw. Leadership Map von Ruth Seliger. Sie versteht sich als Navigationssystem durch die vielfältigen Herausforderungen, vor denen Führungskräfte stehen.

Die Leadership Map, dargestellt in der Form eines Dreiecks, markiert drei zentrale Pole des Führens: Einer dieser Pole ist die Führungs-Praxis, die traditionell in der Führungsdiskussion im Mittelpunkt steht. Sie gliedert sich wiederum in die drei Pole Selbstführung, Menschenführung und Organisationsführung auf. Sich selbst führen bedeutet, fähig zur steten Selbstreflexion und Selbstorganisation zu sein. Auf der Grundlage guter Selbstführung entwickelt sich auch die Fähigkeit, Menschen mittels Kommunikation so zu führen, dass sie sich an die Organisation mit ihren Zielen gebunden fühlen. Die Organisation führen wiederum bedeutet, Entscheidungen zu treffen, vor deren Hintergrund sie sich zukunftsgerecht entwickeln kann. 

Den zweite Pol der Führung markiert das Führen als Profession. Professionalität, so Ruth Seliger, beschreibt die Qualitätsstandards dieses Berufs. Dazu gehört zuallererst Wissen bzw. Theorie, denn Theorie beantwortet die Frage „Warum mache ich das?“. Auf dieser Basis fällt es auch leichter, Rollenklarheit als zweitem Aspekt der Professionalität zu gewinnen. Sie gibt eine Antwort auf die Frage „Wer bin ich hier? Was soll bzw. was darf ich tun?„. Zur Professionalität gehören natürlich auch Instrumente wie zum Beispiel Mitarbeitergespräche oder andere kommunikative Tools zur Mitarbeiterführung. Sie beantworten die Frage „Wie mache ich es?“.

Der dritte Pol beschreibt die Führung als Prozess und klärt, mit welchen aufeinanderfolgenden Schritten Führung langfristig erfolgreich sein kann. Denn Führung in komplexen Systemen bedeutet, trotz stetigem Wandel und wechselnden Herausforderungen auf Kurs zu bleiben und Ziele zu erreichen. Die drei Pole Wachsamkeit, Wertschätzung und Wirksamkeit markieren für Ruth Seliger die zentralen Aspekte dieser Aufgabe. Wachsamkeit bezeichnet die konzentrierte Aufmerksamkeit, mit der Führungskräfte die Lage wahrnehmen und einschätzen. Wertschätzung beschreibt die Fähigkeit, Ressourcen im System zu erkennen. Wirksamkeit besteht im Mut zu handeln und Veränderungen im gewünschten Sinne vorzunehmen.

Was steht im Zentrum der drei Dreicke, die zusammen die Führungslandkarte bilden? Im Sinne der von Ruth Seliger vertretenen Positiven Führung sind es die Prinzipien Freude, Stärke und Sinn. Denn ohne diese drei Pole wird es langfristig nur unter Mühen und nicht zuletzt mit Druck gelingen, Menschen für die Ziele der Organisation zu mobilisieren und zu binden.


Positiv oder negativ führen?

25. August 2023

Vor die Wahl gestellt, positiv oder negativ zu führen, würden sich wohl die meisten spontan für das positive Führen entscheiden. Doch was genau bedeutet es, positiv zu führen? Und weshalb ist diese Art des Führens mehr als ein verbaler Hype?

Positive Führung bezeichnet im engeren Sinne eine Führung, die sich an den Forschungsergebnissen der Positiven Psychologie ausrichtet. Die Positive Psychologie erkundet, auf welchen Bedingungen menschliche Gesundheit, Glück und psychologische Widerstandsfähgkeit beruhen. Positives Führen zielt darauf, diese Bedingungen auch im Arbeitsumfeld zu kultivieren. Das ist nicht selbstverständlich, denn noch immer ist in einigen Unternehmen Narzissmus ein Karriere-Erfolgsfaktor.

Zwei wesentliche Aspekte des positiven Führens zielen auf die Lösungs- und Ressourcenorientierung. Anstelle Probleme und Defizite zu anaylsieren und kommunikativ in den Mittelpunkt zu stellen, fokussiert die positive Führung auf kreative Zukunftsideen und das Stärken von Stärken. Wird traditionell oft versucht, Mitarbeitende durch extrinsische Faktoren zu motivieren und zugleich Fehlleistungen kulturell abzustrafen, zielt die positive Führung auf das Entwickeln einer intrinsischen Hin-zu-Motivation, begleitet von der Wertschätzung für positive Emotionen wie Freude oder Spaß. Positive Führung thematisiert nicht zuletzt auch die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit im Rahmen einer Organisation.

Wer sich bereits mit dem systemischen Führen befasst hat, dem fällt auf, dass die geistige Haltung des Positiven Führens in die gleiche Richtung weist. Das Positive Führen ist daher inzwischen zu einer Art Oberbegriff für Führungsansätze geworden, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Beispielhaft seinen hier das Transformative Führen, das Dienende Führen und New Work sowie das Führen zur Selbstorganisation mit agilen, coachenden und moderierenden Methoden genannt.

Positive Führung bezieht sich nicht nur auf das Verhalten von Führungskräften gegenüber Einzelnen und Teams. Im besten Falle umfasst das Positive Führen die Ausrichtung einer ganzen Organisationkultur. Denn die erwähnten narzisstischen Persönlichkeiten können ja schließlich nur erfolgreich sein, wenn die Organisation sie unterstützt. Zum Positiven Führen gehört aber auch die persönliche Reife der Führungskräfte, die bei ihrer Tätigkeit auf Empathie und eine hohe Kommunikationskompetenz angewiesen sind.


Entscheidungsfindungen revolutionieren?

10. Juli 2023

Eine Revolution der Entscheidungsfindung durch Liberating Structures? Nicht mehr und nicht weniger verspricht Daniel Steinhöfer im Untertitel zu seinem Liberating Structures-Buch. Das Handbuch stellt in der Tat eine sehr nützliche Anleitung für die Anwendung dieser Moderationsmethoden zur Verfügung. Doch die „Liberating Structures“ genannte Sammlung von Klassikern sowie einigen neuen Moderations-Techniken eignen sich wohl nicht dazu, Entscheidungen in Unternehmen auf eine gänzlich neue Basis zu stellen.

Denn das flexible Baukastensystem der Liberating Structures suggeriert, dass Strukturen allein reichen, um Menschen zur Selbstorganisation in Teams zu führen. In der Tat unterstützen die Liberating Structure auf produktive Weise bottom-up organisierte Willensbildungsprozesse in Teams. Doch Strukturen sind immer nur so nützlich und zielführend wie die Philosophie und Wertehaltung derjenigen, die sie zum Einsatz bringen. Nicht zuletzt aus diesem Grund stellen systemische Moderatoren und Facilitators das Thema Haltung in den Mittelpunkt.

Stimmt der Geist bei einer Methodenanwendung, wirkt sich auch die Methode befreiend aus. Form bzw. Struktur ohne entsprechende Haltung dagegen löst das Versprechen nicht ein. Wie bereits von der Themenzentrierten Interaktion auf den Punkt gebraucht, braucht es wertebewusste Moderatoren, die Vertrauen zu und zwischen den Menschen aufbauen und sie durch sensible Prozessimpulse aktivieren. Dann können Strukturen tragen und echte Selbstorganisation fördern.

Der Gedanke, dass eine soziale Technik zu einer revolutionären Umwälzung führen kann, ist mechanistisch und eben nicht wirklich systemisch gedacht. Selbstorganisation in Gruppen und Teams, wie Daniel Steinhöfer sie einfordert, fußt aber auf systemischen Regulationsprozessen, die sich auch guten Strukturen entziehen können. Liberating Structures erweisen sich im Alltag als ausgesprochen nützlich, doch ohne Haltung, menschlichem Einfühlungsvermögen und umfassende Kommunikatikonssskills führen sie nicht zum gewünschten Ziel.